Toa-of-Wiki Fanfiction
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"Tales of Time 1: Wiege des Schattens" ist der Beginn der Tales-of-Time-Reihe von Gresh18. Sie handelt von dem Inselparadies Metru Nui und der verschlossenen Ga-Matoranerin Hahli, die Zeugin eines aufkommenden Schattens wird, einem politischen Orkan, der das Inselleben für alle Ewigkeiten verändern wird. Hahli muss Mut und Entschlossenheit zeigen, um sich Autoritäten zu widersetzen, wobei sich ihre Freundin Vhisola und ihre nie sterbende Hoffnung als behilflich erweisen...

Sprache C Gewalt D Sex A
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Kapitel 1: Der graue Turm[]

Ein Tag wie jeder andere, nur einer von vielen weiteren Millionen von Tagen, an dem das Licht der großen roten Sonne durch Metru Nui schien und alle Matoraner, obgleich sie zwischen Eis und Schnee oder glühenden Lavabecken schliefen, aus ihren Betten kitzelte, wie alle Matoraner sich ihre Werkzeuge schnappten, wie jeder eilig seine Taschen packte und wie sich die leeren Straßen bald mit einer Menge an Matoranern füllte. In den verschiedensten Rüstungen gekleidet wirkten sie wie ein Regenbogen, der sich durch die Wege des Inselstaates durchzog. Bald war kaum mehr ein grauer Pflasterstein zu sehen, Arm bei Arm gingen die Matoraner ihren Weg durch die Straßen, kaum einer wirkte noch müde, sie alle hatten nur eines im Kopf: Ihre Arbeit. Ob tief in den dunklen Minen Onu-Metrus oder in den luftigen Höhen des größten Gebäudes des ganzen Universums: Dem Kolosseum von Metru Nui. Und genau eine Matoranerin verschlug es ausgerechnet dahin, zwischen den Wolken, wo sich selbst die Gukkos nicht mehr blicken lassen, dafür jedoch die ganze Insel einem zu Füßen lag, hoch vom Norden her sah man den schwarzen Rauch aus den Schmieden Ta-Metrus, im Westen ritten die Po-Matoraner auf den Kikanalos durch die hitzige Wüste und im Osten sah diese Matoranerin ihr eigenes Heimatdorf: das klare, stille Wasser, die kunstvollen Brücken und die schneeweißen Kuppen der matoranischen Häuser: Das war Ga-Metru, eine Perle zwischen den Kiefern der schönsten Muschel des Universums.

„Metru Nui, meine Heimat“, murmelt Hahli vor sich hin, den Blick fest in die Ferne gerichtet, als gäbe es nichts Wohlfühlenderes zu tun. Doch irgendwie scheint sich Hahli in dieser Landschaft verloren zu haben, irgendwie sind ihr alle Gedanken verloren gegangen, ja, vielleicht weiß sie selbst nicht mehr, warum sie überhaupt hoch oben auf dem Turm des Kolosseums steht. Erst als plötzlich eine sanfte Stimme durch den Raum hallte, riss Hahli den Blick von Metru Nui und wandte sich blitzartig der Stimme zu: Es war Vhisola, die Ga-Matoranerin scheute nicht davor, sie als ihre beste Freundin zu bezeichnen.

„Und Hahli, wieder mal vergessen warum du hier bist?“, sagte Vhisola mit einem matten Lächeln, während sie sich langsam auf Hahli zu begab, ihre Schritte hallten in der Kuppel, in der sich beide befanden, wieder.

„Nein, nein…“, stotterte Hahli darauf, schüttelte dabei ihren Kopf, in der Hoffnung, dass sie noch Worte finden wird, „es ist…“, sie räuspert sich laut, „…es ist… ach, ich fange ja schon an!“ Und mit der letzten Silbe bewegt sich die Ga-Matoranerin auf einen Felstisch zu, auf dem jede Menge Steinplatten lagen, die verschiedener nicht hätten sein können: Dünn, dick, zerbröckelt, massiv… Hahli räumte sie alle zur Seite und setzte sich hin. Tief Luft holte die Matoranerin, bis ihr Blick wieder auf Vhisola fiel. „Nun“, sprach Hahli ganz leise, „Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mir etwas sagen willst.“

Vhisola kicherte kurz, aber ihr Lächeln verging dann auch wieder so schnell wie es kam. Hahli war daran schon gewöhnt, denn sie wusste genau, welch ernste Person Vhisola eigentlich ist, vielleicht mal gut für einen kleinen Witz, aber in Sekundenschnelle kehrt sie wieder zum Ernst des Lebens zurück: Sie ist ein Arbeitstier, Hahli war sicher, dass nicht eine Minute vergeht, ohne dass Vhisola mal nicht an ihre Arbeit denkt. Aber genau dafür bewunderte Hahli sie, ihre Freundin ist mehr als nur zielstrebig, das einfache Ziel ist ihr nicht genug, sie will über das Ziel hinaus gehen, bis zum Erschöpfen. Hahli wüsste nicht, ob sie das könnte, sie war immer die Entspanntere von beiden, mochte es, sich gerne in ihre Gedankenwelt zu verziehen oder einen Tag die Angelrute auszupacken, anstatt hoch oben im Kolosseum den Meißel in die Hand zu nehmen und einen Buchstaben nach dem anderen auf abertausenden von Steinplatten zu dokumentieren.

„Hahli, jedenfalls“, sagte Vhisola anschließend, ganz still stehend und hoch angespannt, „Es geht um heute, und zwar, wirst du an der heutigen Audienz diesbezüglich der Austragung des Akilini-Turniers nicht teilnehmen…“

„Ach was“, unterbrach Hahli sie plötzlich, sie wusste, Vhisola mochte das nicht gerne, aber Hahli konnte es sich nicht verkneifen. Dabei hatte sie sich so sehr darauf gefreut, endlich konnte sie ihren grauen Platz verlassen und etwas anderes tun, anstatt nur Runen in Steinplatten zu kritzeln.

„Ja, aber mach’ dir nichts draus, ich bin mir sicher, dass es vielleicht beim Ihu-Schneeballwerfen klappt. Jedenfalls…“, sie legte eine kurze Pause ein, zuckte mit ihren rubinroten Augen nochmals nach links und rechts, bis sie wieder in Hahlis Kanohi schaute. „…wie soll ich dir das nur beibringen, ohne, dass du – sagen wir, erschreckt wirst…“

„Erschreckt?“, fragte Hahli plötzlich, als ihr Herz ein wenig schneller schlug und ihr Magen sich unglaublich warm anfühlte. Was hätte das nur sein können, dass Vhisola so stutzig wird und dass Hahli so dermaßen erschrecken könnte. Und kaum versuchte sie darüber nachzudenken, da flog ihr ein böser Gedanke nach dem anderen durch den Kopf, wie lästige Manas-Fliegen: Würde sie vielleicht ihre Arbeit verlieren? Wäre sie tatsächlich so ungeeignet, dass man sie nach nur einem Monat vor die Kolosseumstür setzt? Ist sie so verklemmt, dass selbst Vhisola keine Gnade zeigt? Und plötzlich, da kamen Schuldgefühle in ihr auf, sie war wütend auf sich selber: Warum nur war sie nicht so ernst wie Vhisola? Warum nur fehlt ihr die Bereitschaft zwischen den Wänden des Kolosseums zu arbeiten?

„Heißt das… du willst mich…?“, stotterte Hahli, den Tränen fast schon nah und als ob sie genau wüsste, was Vhisola ihr sagen wird. „Was? Dich…“, und plötzlich musste Vhisola wieder lachen, diesmal hielt sie es jedoch länger aus als eine Sekunde. Doch Hahli war das egal, sie spürte plötzlich, dass sie doch nicht so banal ist, wie sie dachte, im Gegenteil: „Wie kommst du nur auf solche Gedanken, Hahli?“ Und dann, als Vhisola ihre letzte Silbe aussprach, musste auch Hahli kurz kichern, sie schämte sich selbst fast schon dafür, was ihr durch den Kopf strömte, während ihr Herz erleichtert hin und her schlug.

„Es geht um was anderes. Und zwar… Likhan möchte dich sprechen…“

Hahlis Lippen krümmten sich schnell zu einem geraden Strich, während sie einmal tief einatmete und ihre Augen sich auf den Boden richteten, ihre Finger klopften indes leicht nervös auf den Tisch. In der Tat, sie wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte, sollte sie Vhsiola nun mit einem breiten Grinsen anstarren oder ein angstverzerrtes Gesicht reißen?

Schließlich war Turaga Likhan niemand anderes, kein Geringerer als das Oberhaupt Metru Nuis, der, der jedes Geschehen auf dem Inselstaat lenkte und jedes seiner Worte Gesetz war. Er war es, der zu allen Matoranern sprechen durfte und ihnen ihre Wünsche aus deren Augen ablesen durfte und denen den Mund schließen konnte, die ihre Waffen gegen das Volk erhoben.

Likhan ist jedoch eine äußerst bescheidene Persönlichkeit, er hielt nicht viel von großen Reden, aber jedes seiner Worte sprach er mit Gefühl, wie oft hatte Hahli schon Reden Likhans erlebt, bei der sie plötzlich ihr Herz unglaublich frei pochen hörte und ihre Seele sich geborgen und frei von Sorgen fühlte. Likhan wusste sich um die Matoraner Metru Nuis zu kümmern, das wusste Hahli und sie ist sich sicher, dass der Turaga liebend gerne jedem einzelnen Insulaner zuhören würde und sich anschließend den Kopf darüber zerbrechen würde, wie man Metru Nui zu einem Ort machen könnte, an dem sich jeder Po-, Ta-, Onu-, Ko-, Le und Ga-Matoraner wohl fühlen würde.

„Du hast richtig gehört, er möchte dich sprechen, Hahli“, sagte Vhisola anschließend ein wenig ermüdet, als ob die wenigen Minuten ohne Arbeit sie belasten. „Er sagte, es sei ihm egal, wann du in seiner Kammer erscheinst, ‚Hauptsache du fühlst dich dazu ermutigt’“, zitierte sie die letzten Worte und verstellte ihre Stimme dabei ein wenig. Hahli indes regte sich jedoch nicht von ihrem Platz, immer noch war sie fest geklemmt auf ihrem Sitz, nur ihre Finger trommelten nervös auf den vielen Steinplatten herum. „Also, du scheinst verstanden zu haben, wir sehen uns dann später“, mit diesen Worten drehte sich Vhisola um ihre eigene Achse und ging Richtung Tür, als sie schon die ewige Treppe hinunter schreiten wollte, da wendete sie sich jedoch wieder Hahli zu. „Ach richtig“, sagte sie, das Kinn streichelnd, „sei bitte nicht nervös, Hahli, Likhan hält große Stücke von dir.“

Kapitel 2: Helden aus Stein[]

Einige Minuten sind bereits vergangen, seit dem Vhisolas Worte durch Hahlis Kammer gehallt sind, die Ga-Matoranerin selbst dachte kaum an das Treffen mit Likhan, sie fühlte sich keineswegs nervös, als wäre Likhan nicht das Oberhaupt Metru Nuis, sondern ein Freund, mit dem sie jeden Tag Kanokadiskwerfen am Strand Ga-Metrus spielen würde.

Langsam schlenderte die Zeit vor sich hin, zumindest kam es Hahli so vor, und die ganze Zeit über saß sie nur in ihrem Stuhl, die Augen auf die Steinplatten gerichtet, den Kopf leicht eingeknickt und die Finger zappelnd auf den Tisch klopfend. Ab und zu krümmte sich ihr Mund zu einem schiefen Lächeln, wieso, wusste sie auch nicht, denn zum Lachen war ihr gerade nicht wirklich zumute. Jetzt komm’ schon, geh endlich los, du alter Riku-Fisch, kam ihr plötzlich der Gedanke in den Kopf gestoßen und wie auf Befehl, als ob sie eine Marionette wäre, stand Hahli blitzartig auf und ging in Richtung der scheinbar nie enden wollenden Treppe, die aus dem Kolosseumsturm in die Hallen führte, von der man jegliche Kammern der anderen Kolosseumsarbeiter erreichen konnte.

Und so schritt Hahli die Wendeltreppe hinunter, ihre Schritte hallten langsam und leise an den steinernen Wänden und je tiefer sie ging, desto dunklerer und düsterer wurde der Raum, bis die Matoranerin Mühe hatte, die grauen Stufen zu erkennen und die dumpfen Geräusche immer leiser wurden, als auf einmal… ein helles Licht hinter der Zylinderwand erschien, grell leuchteten die Strahlen einer kleinen Fackel. Hahli wagte es schließlich, einen Blick nach unten zu werfen, als sie die abertausenden von grauen Treppenstufen sah, aneinandergereiht wie die Rippen eines Kikanola-Skeletts, und mit jedem Schritt wurde es wieder ein klein wenig düsterer, konnte Hahli noch die hauchdünnen Netze einiger Manas-Fliegen erkennen, rankte sich wieder die Dunkelheit um sie herum, doch Hahli wusste, irgendwann würde wieder eine grelle Fackel alle Dunkelheit aus dem Turm verbannen und irgendwann würde sie unten ankommen und das Geschnatter der vielen Matoraner und Kolosseumsarbeiter hören.

Inzwischen hatte sie fast sogar vergessen, warum sie eigentlich ihre Kammer verlassen hatte. „Likhan, ach richtig!“, flüsterte sie dann auf einmal, sich leicht an die Stirn fassend. Angst verspürte sie kaum welche, im Gegenteil, in Gedanken war sie bei Vhisola, sie war schließlich nicht nur Hahlis Freundin, auch Likhan durfte sie schon ihren Vertrauten nennen. Vhisola ist nämlich seine linke Hand, eine von vielen Personen, die sich um das Wohl Metru Nuis tagtäglich kümmern, Hahli ist von deren Aufgaben weit entfernt, sie ist lediglich eine Aufzeichnerin, eine Chronisten, allerdings darf sie nur das niederschreiben, was zwischen den grauen Wänden des Kolosseums geschieht. Vhisola hatte da einen völlig anderen Job. Und Hahli hätte schwören können, wäre sie an Likhans Stelle, so wäre ihre erste Handlung als Oberhaupt der Abriss dieser Wendeltreppe, denn wie sie es abscheut hat, ständig diese abertausenden von Treppen hoch und runter zu steigen.

Einige Augenblicke später war Hahli schon an drei weiteren Fackeln vorbei gelaufen, als ganz plötzlich tosender Lärm durch die Wände hallte: Ja, sie war der Kolosseumshalle näher gekommen. Von Schritt zu Schritt wurden die Worte der Kolosseumsarbeiter immer lauter, bis es fast schon unerträglich wurde und nur Sekunden später Hahli schon mitten zwischen all den Matoranern und Turaga war, in einer Halle, geschmückt mit den Fahnen jedes Metrus, während nach links und rechts große Torbögen und Statuen die Halle verzierten, an den Seitenwänden standen schließlich tausende von runden Steintüren, jeder führte in die Kammer eines anderen Matoraners, doch Hahli hatte kaum die Möglichkeit diese vorzulesen, denn von dem Getümmel, welches in der Großen Halle herrschte, wurde sie ständig von den verschiedensten Personen hin und her geschubst, keiner nahm wirklich Rücksicht auf denjenigen, der gerade einem entgegenkam, egal ob Matoraner oder Turaga.

„Verzeihung“, piepste Hahli fast schon kleinlaut, als sie einen Ta-Matoraner kurz anrempelte. Sie drehte sich kurz um, um ihm eine Entschuldigungsgeste zu zeigen, doch da war der Matoraner schon hinter einer Schar von Turaga verschwunden, ohne auch nur Notiz von Hahli zu nehmen.

So schlug sie sich weiter durch, durch das Meer aus bunten Protodermisrüstungen und den verschiedensten Kanohi-Masken, die Hahli kurzweilig zu Gesicht bekamen, wie in der Maskenschmiede von Ta-Metru fühlte sie sich gerade: Einfach nur vor einem Fließband dastehen, während eine Maske nach der anderen an ihr vorbeihuschte. Hahli war es selten gewöhnt mit einer so großen Schar von Matoranern zurechtzukommen. Sie liebte einfach das Alleinsein, hätte sie die Wahl mit ihren Freundinnen ein Kohlii-Spiel zu besuchen, oder lieber einsam am Strand Muscheln zu sammeln, hätte sie sich ohne auch nur zu zögern auf Letzteres eingehen lassen. Oftmals konnte Hahli einfach nicht nachvollziehen, wie man zu dritt bei einem Lagerfeuerfest keinen Spaß haben konnte. Düster erinnert sie sich noch, wie ein paar Po-Matoraner zum alljährlichen Ga-Metru-Lagerfeuerfest erschienen. Es war schon ziemlich spät, das gesamte Dorf war in ewige Dunkelheit gekleidet, nur das einsame Lagerfeuer leuchtete noch tief in die Nacht und drumherum hatte Hahli mit Vhsiola und einer weiteren Ga-Matoranerin gesessen. Ihnen gegenüber zwei Po-Matoraner, wie die sich damit einverstanden gaben zum Lagerfeuerfest zu kommen, war Hahli bis heute ein Rätsel. Jedenfalls machten diese ziemlich bedrückte Mienen, als müssten die eine Mutprobe mit einem Takea-Hai durchführen. „Das ist ja langweiliger als ein Kohlii-Spiel zwischen einem Viert- und Sechstligisten!“, hatte Hahli noch ihre Klagen im Kopf. Was beide daran jedoch langweilig finden, konnte die Ga-Matoranerin nicht nachvollziehen, zu dritt am Lagerfeuer, diese Ruhe in der Luft, wie man ganz einfach nur vor sich hin träumen konnte... Mittlerweile war Hahli einige Meter durch die Halle gestreift, zwischendurch war sie an den Statuen einiger berühmter Toa Metru Nuis vorbeigekommen, die meterhohen Steinstatuen hatten sie schon immer beeindruckt, nur ein Blick auf diese Felskolosse und Hahli fühlte, wie unsäglicher Stolz durch ihren Körper floss, als wären die Toa-Statuen Speier, aus denen Glück und Freude fließen würden. Da sah man sie, in Posen, wie sie nur echte Helden tun können, ihre Waffen, die die ärgsten Feinde Metru Nuis in die Enge gezwungen haben und deren strahlenden Masken, deren Kräfte ihnen auch in den dunkelsten Stunden geholfen haben.

Mittlerweile waren nicht mehr allzu viele Matoraner und Turaga in den Gängen unterwegs, endlich durfte Hahli normal umherlaufen, ohne dass sie jede Minute jemand rempeln würde und sie sich zwischen Mauern aus Kanohi-Masken und bunten Rüstungen durchquetschen würde. Gerade jedoch machte sie halt und sah sich einer der Toa-Statuen an: Ein breiter Brustpanzer, eine Kette, die ihr um den Hals hing, eine Lanze, von der man erzählt, sie hätte einen Protodermis-Burnak durchbohrt, und eine lächelnde Kanohi Kaukau – die Maske, die auch Hahli trug.

„Toa Tuyet“, las sie den Namen der Wasser-Toa von einem goldenen Schild ab. Tuyet war einer der wenigen nennenswerten Ga-Matoraner gewesen, die nicht nur zu einer Toa wurde, sondern auch Abenteuer erlebte, von denen man heute nicht nur in Ga-Metru erzählte. So weit Hahli sich erinnern konnte, hatte ein Ko-Matoraner namens Kopeke sogar ein Buch zu ihren Abenteuern geschrieben. Doch Hahli hatte es sich selbst nie durchgelesen, man redete von Tuyet und ihren Heldentaten, aber hatte jemand ihre starke Persönlichkeit erwähnt? Wie sie einen Makuta verschonte, selbst als er ein matoranisches Dorf niedergebrannt hatte, wie sie einem Grubenflüchtling die Freiheit gewährte, wie sie seine guten Seiten erkannt und gestärkt hatte – von all diesen Taten blieb Hahli aber besonders eine im Kopf: Tuyet hatte einen Le-Matoraner namens Nidhiki, einem Außenseiter, der sich nie wirklich mit anderen verstand und von dem alle meinten, er würde mit Antidermis experimentieren, die Chance auf ein Toa-Leben gegeben. Trotz aller tollkühnen, trotz aller mutigen und selbstbewussten Matoraner war es Nidhiki gewesen, der zum Toa werden sollte – und der später als legendärster Toa im Matoranischen Bürgerkrieg eingehen sollte.

Hahli ging ein paar weitere Schritte und sah nun in die müden Augen des steinernen Nidhiki, eine gewaltige Klaue in seinem Arm. Hahli kannte viele Matoraner, die um jeden Preis gerne ein Toa sein wollen würden und ihre Fähigkeiten genießen wollen, auch mal eine Statue in dieser Halle zu bekommen. Ehrlich gesagt hatte Hahli auch schon einmal davon geträumt, sich auch mal als Heldin vorgestellt, wie sie für den Frieden eintritt. „Aber du bist doch schon fast eine Toa, Hahli, deine Ähnlichkeit mit Tuyet ist enorm!“, hatte Vhisola einst gescherzt. Und in der Tat, Hahli war selbst verblüfft von ihrer Ähnlichkeit zu Tuyet – nicht nur die Kanohi, auch ihr Körper ähnelte der einer kleinen Tuyet – doch Hahli verschwendete keinen einzigen Gedanken daran, dies als Zeichen anzusehen, natürlich ist es ein Traum aller ein Toa zu sein, doch ausnahmsweise bleibt Hahli diesmals ganz nüchtern: Sie und eine Toa, das wird es in diesem Leben nicht geben.

Hahli wendete ihren Blick von Nidhiki und Tuyet und ging zum Ende des Gangs entgegen, wo sie immer deutlicher die Konturen einer großen, runden Tür sehen konnte, die fast schon unbedeutend wirkte. Doch das war sie keinesfalls – es ist das Zimmer von Turaga Likhan. Mit jedem Schritt musste Hahli plötzlich immer tiefer einatmen, als ob die Luft vor Likhans Zimmer zu dünn sei. Mit jedem Schritt wurde ein kleines, unangenehmes Geräusch immer lauter, als ob es pochen würde... Hahlis Herz fing an zu rasen. Und um ihre Stirn herum bildeten sich Schweißperlen, wie nach einem Sprint von Metru zu Metru fühlte sich die Matoranerin schweißgebadet und eine innere Stimme sagte ihr, sie solle schnell weg von hier, rennen, zurück zum Turm. Und gerade konnte sie den Namen Likhans auf einem goldenen Schild über der Tür erkennen, da machte sie plötzlich halt. Hahli schwenkte ihren Kopf nach links und rechts, als ob sie jemand beobachten würde – doch der Gang war inzwischen leer, die Schar hatte sich aufgelöst und tummelte sich nun draußen vor dem Kolosseum... Nur sie und die Tür zu Likhans Zimmer, dem Oberhaupt Metru Nuis, einer Persönlichkeit, die größer ist als die des mächtigsten Toas. Und auf einmal fühlte sich Hahli unglaublich klein, wie eine Manas-Fliege, unbedeutend und winzig. Nochmal schwenkte sie ihren Blick zur Tür.

Hahli!, es war eine Stimme in ihrem Kopf, die sich jedoch unglaublich real anfühlte. Likhan hat dich darum gebitten, also tu es! Hab keine Angst, du bist größer als du denkst! Hahli schluckte, atmete tief ein und ging mutig voran, die Hand schon zu einer Faust geballt, um anzuklopfen, als auf einmal...

„Eine sehr gute Frage, Kopeke. Nun, die Minenarbeiter von Onu-Metru verfolgen eine sehr lange Tradition. Es ist nicht nur so, dass wir Onus nur nach Leuchtsteinen und Erzen graben, die Minenarbeiter sind eine große Gemeinschaft, fast schon eine-“

Es war ein ganz in schwarzer Rüstung gekleideter Turaga, mit einem Minenwerkzeug als Stab und zwei giftgrünen Augen. Es war Turaga Whenua, Oberhaupt der Minenarbeiter. Und neben ihm stand ein Ko-Matoraner, in einer Hand eine Steinplatte und in der anderen ein Schreibwerkzeug. Hahli hatte ihn sofort erkannt – es war Kopeke, der Anführer der Metru-Nui-Chronisten. Er hatte nicht nur das Buch über Tuyet verfasst, sondern schreibt über alle möglichen Personen und Gegenstände, denen er auf Metru Nui über den Weg läuft – und selbst wenn es eine herkömmliche, unwohl reichende Blume ist – von einem Chronistenbericht Kopekes bleibt sie nicht unverschont. Und gerade scheint es so, als schreibe er über die Minenarbeit auf Metru Nui.

„Oh, ein freundliches Gesicht aus Ga-Metru!“, frohlockte Whenua, als er Hahli sah und unterbrach Kopeke bei seiner Arbeit, der ziemlich genervt davon schien.

„Nun, Turaga Whenua, würden Sie bitte Ihre Antwort-“

„Ich hab' dich hier noch nie gesehen, wie heißt du denn?“, unterbrach Whenua Kopeke, als hätte er ihn nicht gehört.

„Turaga, bitte. Das ist Hahli, die neue Kolosseumsarbeiterin aus dem Nordturm. Würden wir nun bitte-“

„Oh, du bist neu hier. Sei herzlich willkommen, was hat dich denn dazu veranlasst, im Kolosseum zu arbeiten?“

„Ähm“, Hahli wusste nicht, was sie antworten sollte, eigentlich wollte sie ihm nicht antworten, das was nun zählt, ist Turaga Likhan und deshalb war Hahli froh, dass Kopeke ihn überzeugt hatte, doch noch auf seine Fragen zu antworten.

„Na gut, wir können uns dann ein anderes Mal sprechen!“, mit einem leisen Kichern wandten sich beide von ihr ab, während Hahli ihre Hand wieder zu einer Faust ballte – sie klopfte an Likhans Tür.

Kapitel 3: Turaga Likhan[]

Es schien ihr wie Minuten, fast schon wie Stunden... und niemand öffnete die Tür. Hahli hatte das Gefühl, sie stände hier seit einer ganzen Ewigkeit und doch wollte sie sich nicht von der Tür abwenden... und dann... Quietsch.

Die Tür ging zur Seite und eine golden schimmernde Kanohi lächelte sie an, zwei rot funkelnde, müde Augen gaben der Matoranerin ein Gefühl der... Vertrautheit, als konnte Likhan in ihr Inneres sehen, ihre Probleme wissen und sie mit einem Blick lösen.

„Ah, Hahli, ich habe dich erwartet“, sagte er mit einer sanften, weisen Stimme. Eine Stimme, von der man sich einfach nicht vorstellen konnte, dass sie jemals wütend und hasserfüllt geklungen hatte. Hahli betrat Likhans Zimmer und schaute sich um: Die Steinwände waren ziemlich karg, nichts weiter als die sechs Flaggen der einzelnen Metrus hingen links und rechts, und vor einer Glaswand, die einen Ausblick auf den ganzen Norden der Insel bot, stand ein ebenso karger Tisch, hinter dem Likhan nun Platz fand und Hahli mit einer Handbewegung hinwies, sich ihm gegenüber hinzusetzen.

„Wie ich mitbekommen habe, hat dich Turaga Whenua aufgehalten.“

„Richtig, Turaga“, sagte Hahli trocken, während sie sich erst jetzt wirklich fragte, warum Likhan sie unbedingt sehen sollte. Natürlich, er war jemand, der sich einfach um alle Matoraner kümmern möchte – doch beim Anblick des Turaga bekam Hahli das merkwürdige Gefühl, er wolle ihr mehr erzählen.

„Whenua war schon immer jemand, der viele Fragen stellte. Ich erinnere mich noch genau, wie er zu einem Toa wurde. Beim Schnabel des Gukko, Hahli, hatte der viele Fragen, wir dachten schon, wir müssten ihm keine Waffen geben, weil er die Makuta mit seiner Neugierde zum Tode verschreckt.“ Hahli musste sich ein Kichern verkneifen, während Likhan von seinem Platz aufstand und nun hin und her ging. Hahli folgte ihm mit einem festen Blick.

„Selber aber gab Whenua ungern Antworten, wie es Kopeke nur geschafft hat, ihn zu einer Befragung zu überreden, beim Stab des Mata Nui!“ Er machte eine kurze Pause und machte kurz halt, um in Hahlis Augen zu blicken. Im Gegensatz zu vielen anderen war sein Blick kaum durchdringend, eher ließen sie Hahli wissen, dass sie ihm vollstes Vertrauen schenken konnte.

„Aber heute soll es nicht um Whenua gehen, selbst wenn sein Kampf gegen das Seemonster von Mahri Nui unvergessen bleibt... Heute soll es um dich gehen, Hahli.“

Hahli wagte es irgendwie nicht, einen Ton von sich zu bringen, selbst wenn sie die ganze Angelegenheit schon mulmig stimmte...

„Du hast richtig gehört, Hahli“, sagte er, als könne er ihre Gedanken lesen. Und vielleicht tat er das sogar mithilfe seiner Kanohi, dachte Hahli, ehe sie sich daran erinnerte, dass Likhans Kanohikraft die des Schutzes war.

„Erzähl doch mal, Hahli. Der Nordturm, gefällt er dir?“ Hahli zuckte die Schultern. Was soll sie darauf nur antworten? „Na ja... eine schöne Aussicht gib's da schon...“

„Aber?“, fragte Likhan, als wüsste er, dass Hahli nicht vollkommen zufrieden ist.

„Es gibt kein aber“, sagte sie kopfschüttelnd, während Likhan wieder ihr gegenüber Platz nahm.

„So, so. Es tut mir übrigens nochmal leid, Hahli, dass du nicht zur Versammlung wegen dem Akilini-Turnier erscheinen kannst, es liegt nicht an dir. Aber glaub' mir, ein freier Tag würde dir heute gut tun!“

Hahli wollte widersprechen, ihre Zunge pochte schon fast darauf, doch irgendwie... sie konnte es nicht, irgendwas hielt sie davon ab... Likhan zwinkerte ihr kurz zu und führte dann fort: „Hahli, was ich dich noch unbedingt fragen wollte...“ - Likhans Stimme verlor plötzlich diese Heiterkeit und sein Gesichtsausdruck formte sich zu einer ernsten Miene... Was hatte das zu bedeuten? Hahlis Magen musste sich plötzlich umkrempeln - „Warst du schon in Karda Nui gewesen?“

Karda Nui? Hahli hörte ein tiefes Brummen in ihrer Magengegend, fast so, als würde sich ihr Magen wieder auskrempeln. Doch das interessierte sie nun mehr kein bisschen, viel mehr war es der Name „Karda Nui“, der ihr durch den Kopf schwirrte. In ihren Gedanken formte sich eine felsige Landschaft, umringt von Bäumen und Pflanzen, die nur dort welken würden – und Hahli war sich sicher, würden diese Prachtstücke von Bäumen wo anders blühen, würden sie kaum mehr so schön sein... Ja, Karda Nui war schon immer ein prachtvoller Ort gewesen und gleichzeitig so einzigartig – eine riesige, steinerne Pyramide, auf ihrer Spitze stehend und oben drauf die Stadt Av-Karda, von vielen auch als Herz des Universums betitelt. Karda Nui war Wohnort der Av-Matoraner und einiger der größten Denker, die jemals einen Fuß ins Matoranische Universum gesetzt hatten. Hahli dachte nur an Turaga Norik – wenn man von Norik sprach, verband man sofort die Maskenschmiede mit ihm. Norik war nämlich kein Geringerer, als der Erschaffer sämtlicher edler Kanohis, seine Masken waren legendär und ihre Kräfte sowohl beeindruckend als auch abschreckend... man munkelt, einige der gefährlichsten Masken seien tief in den Katakomben Karda Nuis gelagert... und das war bei Weitem nicht die einzige Verschwörungstheorie über das Herz des Universums: Wie oft kamen Hahli diese ganzen Gerüchte, diese Erzählerein zu Ohren. Sie wusste allerdings nicht, was sie von denen halten sollte, ehrlich gesagt konnte sie sich darauf keine Meinung bilden... Und mittlerweile munkelte man nicht nur über bedrohliche Kanohis, auch sollen in Karda Nui Chroniken über jeden einzelnen Matoranischen Bewohner liegen und der Geist Mata Nuis soll in einem Protodermis-Gemsisch gefangen sein. Da kamen der Ga-Matoranerin doch manchmal Zweifel, ob die Gerüchteerzähler nicht vorher schon zu viel Antidermis geschluckt hätten.

„Nun, Hahli? Warst du schon in Karda Nui?“, wiederholte Likhan seine Frage. Hahli schreckte auf, als hätte sie vergessen, dass sie dem Oberhaupt Metru Nuis gegenüber sitzt.

„Oh, äh... Nein, Turaga Likhan“, brachte sie aus sich hervor.

„Wie schade, ja, ja, sehr schade.“ Likhan lehnte sich zurück und verschränkte die Finger, seine Augen richteten sich zum Boden, als ob er scharf nachdenken würde.

„Waren Sie schon dort, Turaga?“ Plötzlich erhoben sich Likhans Augen wieder und blickte dabei so überfreundlich wie immer drein.

„Nun“, er stand wieder auf und ging in seinem Zimmer auf und ab.

„Zu meinen Zeiten als Toa war ich mal dort...“, fing er an und es folgte eine gefühlte Ewigkeit, bis er wieder anfing zu reden, als hätte er vergessen, warum er dort war oder was er gemacht hatte,.

„Nun“, wiederholte er und plötzlich formte sich seine sonst so heitere Miene zu einem leichten Bedrücken, wie Hahli es selten, wenn überhaupt von ihm gewöhnt war. Hatte sie etwas Falsches gefragt? Hatte Hahli ihn vielleicht an eine schlechte Begebenheit erinnert? Gerade wollte sie das Wort erfassen, als Likhans Stimme den Raum wieder füllte.

„...Ja, ich war dort... Eine Ewigkeit müsste es her sein, gefühlt hundert Jahre... Ja, es war eine Mission... Wir mussten ein seltenes Artefakt finden, ein Artefakt, von dem...“ Und plötzlich stoppte Likhan. Er setzte nicht weiter fort, hatte einfach so aufgehört...

„Ach Hahli, ich will dich nicht mit den Geschichten eines alten Turaga langweilen.“ Er kicherte kurz auf und setzte sich wieder.

„Jedenfalls, ein Besuch in Karda Nui kann nie schaden, Hahli. Sag' mal, du kommst doch ursprünglich vom Südlichen Kontinent, nicht?“ Hahli nickte kurz, ohne einen Gedanken an Karda Nui zu verschwenden.

„Ja, Turaga... aus dem Freistaat Artidax.“

„Ah, Artidax. Immer ein schöner Urlaubsort, wenn ich doch noch die Kraft hätte, Artidax einmal zu besuchen... seine schönen Kiesstrände, die alten Festungsruinen... nur das leicht regnerische Wetter kommt einem Feuerling nicht zu Gute... aber für eine Ga-Matoranerin müsste es doch der perfekte Wohnort sein?“

Hahli überlegte kurz, was sie antworten sollte. Für sie wirkte Likhan sehr seltsam, da hatte er sie eingeladen und redete über tolle Urlaubsorte... fast schon hatte es den Anschein, als wolle Likhan Hahli aus dem Kolosseum wegschaffen... aber bei Likhans fürsorglicher Art wird er wohl auch mit der verträumten Hahli zurechtkommen können.

Hahli erinnert sich nicht äußerlich gut an ihre alte Heimat, um genau zu sein hat sie nur eine einzige Erinnerung an den Südstaat. „Turaga Likhan, um ehrlich zu sein, habe ich keinerlei Erinnerung an Artidax... Da ist nur...“ Hahli kamen die Bilder in den Kopf geschossen, ihre Erinnerung. „Da ist dieser Kiesstrand, wie Sie sagten... ich höre nur die Wasserwellen, die gegen die Bucht peitschen... und da liege ich auf einmal... inmitten des harten Kiesstrandes... ich war irgendwie ohnmächtig oder bewusstlos... Aber ich habe keine Ahnung, wieso... und warum ausgerechnet dies die einzige Erinnerung an Artidax ist.“

Für eine Weile kehrte wieder Ruhe ein. Likhan starrte Hahli an wie ein glänzendes Juwel, das mit jeder Sekunde heller schien. Er hatte den Finger am Kinn, und saß stocksteif auf seinem Stuhl. Hahli erwiderte aber seinen Blick nicht, sie schaute aus dem Fenster hinter ihm, wo gerade eine Wolke Hahli die klare Sicht auf die Stadt Ta-Metru nahm... nur ab und zu konnte sie das Glimmen des Feuers erkennen und schwarzen Rauch aus den Schmieden aufsteigen sehen.

„Eine äußerst... bemerkenswerte Geschichte, Hahli...“ Sie schaute ihm nicht in die Augen, dachte an gar nichts, ihr Kopf fühlte sich leer und verlassen an.

„Hahli, weiß du übrigens, welche berühmte Toa ebenfalls aus Artidax stammt?“ Und plötzlich wandte Hahli ihren Blick wieder auf Likhan, sie schaute ihn für kurz an, ehe dann der Name der Toa ihr aus dem Mund schoss:

„Ja... Toa Tuyet...“

Kapitel 4: Das kalte Seelentuch[]

Es war bereits spät am Abend, nur vereinzelt brannten die Lichter in Ga-Metru, während das Sternenlicht zitternd im Wasser leuchtete und hier und da ein Riku-Fisch hochsprang und mit einem Plumps-Geräusch wieder im dunklen Meer verschwand.

Hahli ging einer der vielen verzwickten Straßen in Ga-Metru entlang, ihre Tasche um den Leib gewickelt. Gerade hatte sie ihre Arbeit im Kolosseum beendet und seit dem hallten immer wieder die Worte Likhans in ihrem Kopf... Und je mehr sie ihr Gespräch durchging, desto mehr Fragen flogen ihr durch den Sinn. Nicht nur, dass Likhan sich merkwürdig verhielt und ihr nichts von seinen Toa-Abenteuern erzählen wollte, dabei sogar stutzig wurde... warum hatte er sie überhaupt eingeladen, wenn er nur über Inseln sprechen wollte, auf denen man Urlaub machen kann? Wenn er denn überhaupt Urlaub machen will, warum fragt er dann ausgerechnet Hahli, die nicht mal einen Fuß in Karda Nui gesetzt hatte und an Artidax nur eine einzige Erinnerung hatte, die jedoch genau so seltsam war wie Likhan am heutigen Tage? Und dann dieser Vergleich mit Tuyet. Was hatte Tuyet schon mit Hahli zu tun, es kann doch unmöglich sein, dass Hahli in ihre Fußstapfen treten wird... oder?

Hahli schritt gerade über eine Brücke und erkannte noch einen Riku-Schwarm, der willkürlich vor sich hin schwamm. Bei diesem Anblick musste Hahli laut seufzen, nach diesem Gespräch mit Likhan fühlte sie sich selbst ziellos, wusste nicht, wohin mit ihren Gedanken... Es kann doch kaum sein, Hahli wusste es einfach... sie hatte nichts mit dem Toa-Dasein zu tun, selbst wenn der letzte Toa vor zehn Jahren von Metru Nui verschwand.

Neben einem hohen Turm aus Eis sah Hahli schließlich ihre kleine Hütte auftauchen, welches sich kaum von den anderen unterschied: Kreisrund, sowie aus purem Schnee gebaut. Schlicht und einfach, ohne jegliche Besonderheiten. Als sie schließlich angekommen war, öffnete sie die Tür und schaute sich um, als würde sie ihre Hütte zum ersten Mal überhaupt betreten. Allerdings erkannte sie nicht viel Interessantes, links und rechts waren Kisten voller Krempel, den sie nicht benutzt... Muscheln, Bücher, Fangnetze... Wieso sie das alles aufbewahrt, weiß Hahli selber nicht. An der Wand hing eine etwas abgenutzte Angelrute und in der hintersten Ecke lag ihr Bett aus Burnak-Fell. Kaum hatte sie es erkannt, stürzte sie drauf zu und ließ sich auf die sanfte Decke fallen, die Tasche in die Ecke schmeißend. Die Augen fielen ihr zu wie schwere Steine und es dauerte nicht lange, bis sie auch schon einschlief... Im Traum erschien ihr ein Feuer-Turaga... Hahli kannte ihn, es war Turaga Dume, einer der letzten Toa Metru Nuis. Komischerweise spielte sie mit ihm Kanoka-Diskwerfen und das um eine merkwürdigen, goldenen Maske... Hahlis Träume waren schon immer seltsam gewesen, aber über diesen wollte sie gar nicht erst reden... vor allem, da Dumes gieriges Lachen immer wieder im Traum widerhallte...

* * *

Weit hinter dem tiefblauen Meer von Ga-Metru erhob sich eine riesige, rote Kugel, als wolle sie dem Wasser entfliehen... Ihre Strahlen ließen den Morgenhimmel in einem leichten Orangeton aufglühen und von Minute zu Minute wurde es in der Stadt des Wasser immer heller und Hahlis dunkle Hütte, ihre Kisten und ihre Angelruten waren ummantelt in einem grellen Licht. Aufstehen, Hahli!

Hahli drehte sich in ihrem Bett zur Seite um, die Burnak-Fell-Decke über den Kopf ziehend. Sie ignorierte dabei die Stimme in ihrem Kopf, die sie fast schon im Sekundentakt aufforderte, aufzustehen.

Hahli, nun mach' schon, du kommst zu spät ins Kolosseum!

Noch einmal wälzte sie sich zur Seite, nahm die Decke von ihrem Körper und plumpste aus ihrem Bett. Ihre Augen fielen ihr immer noch zu und beim Gehen schwankte sie hin und her, dass sie Angst hatte, sie würde jeden Moment stolpern.

„Oh Mann... nicht schon wieder das Kolosseum!“, seufzte sie gähnend und dachte wieder an ihren Arbeitsplatz hoch oben im Nordturm, wo sie umgeben ist von einer Mauer aus Steinplatten und Aufzeichnungen, die sie sich jedes Mal durchlesen musste, während sie auf andere Steinplatten irgendwas kritzeln sollte.

„Na ja, besser als heißen Dampf zu atmen...“, murmelte sie und suchte halb müde, halb wach nach ihrer Tasche.

„Merkwürdig“, sagte Hahli dann, als sie aus ihrem Fenster schaute und wirklich nichts vor sich fand, als leere Straßen, nicht eine einzige Ga-Matoranerin überquerte die Brücken und Wasserstraßen Ga-Metrus. Beim Anblick dessen huschte Hahli schnell zum Fenster und lugte heraus, ob sie sich denn nicht täuscht. Doch ein rascher Blick nach links und rechts ließ ihr Herz bald schon schneller pochen: Es war wirklich niemand da – und von nirgendwo kamen die Geräusche der arbeitenden Matoraner. Kein Hämmern und Schleifen der Bootsarchitekten, keine Angelgeräusche der Fischer und selbst das Meer ist unglaublich ruhig.

„Bin ich etwa... zu spät?“ Hahlis Herz machte einen Hüpfer, ehe sie hastig zur Sonne haschte: Ein roter Feuerball, gerade dem Horizont entwichen. „Nein, ich bin heute sogar früher aufgestanden... Hm... Vielleicht sollte ich mich mal umschauen.“ Hahli ergriff ihre Tasche, legte ein paar Schreibwerkzeuge und Steinplatten rein, hing sie sich um den Leib und öffnete langsam die Tür, als hätte sie Angst, ein Kofu-Jaga könnte ihr um den Hals fallen... aber selbst die wären bei dieser Stille zu nervös gewesen, um anzugreifen... Die ganze Stadt, matoraner-leer: Kein Laut, kein Wesen, nichts. Aufgeregt verließ Hahli ihre Hütte und ging die Hauptstraße entlang, die zum Versammlungsplatz führte, ihre Schritte waren die einzigen Geräusche, die in Ga-Metru zu hören waren. Mit jedem Schritt ging sie hastiger, denn auch in diesem Winkel der Stadt sah sie nicht einen einzigen Matoraner und als sie am Hafenpier entlangging, sah sie zwar die vielen Boote, die im Wind hin- und herschwankten, aber niemand, der die Segel setzte oder der Fischnetze herumträgt. Auch am Astronomie-Haus war niemand. Hahli erlaubte sich einen Blick in das Gebäude, stieß die Tür langsam zur Seite – und nur die Protodermis-Teleskope kamen ihr ins Auge, doch niemand war da – keiner.

„Was ist nur los?“, murmelte Hahli verzweifelt, während sie spürte, wie ihr Magen sich aufblähte – mit Angst. Mittlerweile war sie am rennen, rannte, als würde sie jemand verfolgen, in Richtung Versammlungsplatz, der in einem kleinen Tal, in einem See auf einer Insel lag.

Hahli sah schon die Ga-Metru-Hochebene, die kleinen Hügelspitze, die ihr mit jedem Schritt größer erscheinen.

„Meine letzte Hoffnung!“, keuchte Hahli und ihre Lunge fühlte sich an, als würde sie brennen, während ihre Hüfte vor Seitenstechen so sehr schmerzte, wie lange nicht mehr. Doch das war ihr jetzt egal, es zählte nur der Versammlungsplatz.

Hahli rannte die kleine Brücke zu der Hochebene entlang, ging den Felsweg hinunter, bis sie das in der Sonne glänzende Wasser sehen konnte – und da war der Versammlungsplatz... und was Hahli dort sah, ließ sie steif frieren...

Eine Schar aus hunderten von Ga-Matoranern zwängte sich auf dem Platz, dass man die kleine Insel gar nicht mehr sehen konnte. Hier waren sie nun also. Hier auf dem Versammlungsplatz, fast die ganze Stadt.

„Beeilung, Nixie, vielleicht sind ja alle hier!“

„Warte doch mal, Palagia, meine Beine schmerzen!“

Hahli schreckte auf, als sie die Stimmen hörte und als sie die zwei Matoraner in blauer Rüstung sah, wie sie den Hügel hochkletterten, sprang ihr Herz ihr bis in den Hals.

„Nixie, sieh mal! Eine Matoranerin!“

Als wäre Hahli seine Beute, rannte Palagia auf Hahli zu, keuchend und schweißgebadet.

„Wie glücklich ich bin, hier jemanden angetroffen zu haben. Wo sind denn alle bloß?“, konnte Palagia gerade noch aus sich raus bringen, während Nixie hinter ihr ankam.

„Tja“, sagte Hahli, immer noch steif und wie angewurzelt. „Das wird deine Frage wohl beantworten.“ Hahli zeigte in Richtung des Versammlungsplatzes und sah aus dem Augenwinkel, wie Nixie und Palagia der Mund offen steht und ehe sie noch etwas sagen konnte, waren zwei blaue Rüstungen an ihr vorbeigerauscht und nur Sekunden später waren beide auf der Brücke zum Versammlungsplatz. Hahli überlegte nicht lange und tat es ihnen nach, mit pochendem Herz rannte sie den Hügel herunter, zu einem fast schon goldig schimmernden Sandstrand, gesäumt mit Palmen und den wunderschönsten Muscheln, die Hahli je zu Augen kamen. Doch dafür war jetzt keine Zeit, sie schweifte ihren Blick von dem Strand und rannte die Brücke entlang, ihre Schritte hallten wieder wie aufgeregte Trommelgeräusche vor einem Kampf.

Hahli kam dem Versammlungsplatz immer näher, sah die Schar von Matoranern immer deutlicher und erst jetzt fragte sich Hahli, warum sie alle hier waren... Hatte sie etwas von einer abgemachten Versammlung vergessen? Aber dann wären doch Nixie und Palagia nicht genauso aufgeregt gewesen? Und warum sprach keiner ein Wort? Warum war es auf dem Versammlungsplatz so ruhig, nicht mal ein Laut, dass man sogar die Palmenblätter hören konnte, die im Wind wippten.

Als Hahli ankam, vergaß sie erst mal laut auszuatmen, ihr Blick war nur auf die Menge an Matoranern gerichtet – irgendwo musste doch Vhisola sein. Hahli drängelte sich vorbei an den Matoranern und bemerkte, dass ihre Blicke zu Boden gesenkt waren, keiner lachte – es war mehr Trauer. Und je mehr sie solcher Gesichter sah, desto warmer wurde es Hahli um den Leib und desto aufgeregter pochte ihr Herz... irgendwas war passiert und es verhieß nichts Gutes...

Und dann plötzlich – die grau-silberne Maske Vhisolas.

„Vhisola!“, schrie Hahli und war damit die einzige, die einen Laut aus sich brachte, dass einige zu ihr rüber huschten.

„Vhisola!“, wiederholte Hahli keuchend und schaute in das traurige Gesicht ihrer Freundin – und ihre mit Tränen gefüllten Augen. „Vhisola, sag' doch was! Was ist passiert, warum...?“

Doch die Matoranerin konnte nur ihren Kopf schütteln, während sie sich die Tränen aus den funkelnden Augen wegwischte. Bei diesem Anblick hatte Hahli das Gefühl, als ob sie in Eiswasser baden würde.

„Hahli“, fing Vhisola an, sie piepste und eine weitere Träne kullerte ihr die Wange runter. Und was Vhisola sagte, ließ Hahlis Herz so mächtig schlagen, dass es ihr fast aus der Brust hätte schießen können und ihr den Magen einfrieren ließ... Hahlis Seele war nur noch ein kaltes Tuch, was ihren Körper zittern ließ.

„... Likhan ist tot...“

Kapitel 5: Fünf Turaga und Dume[]

Hahli hatte für den Rest des Tages die ganze Zeit in ihrem Bett gelegen, hatte seit dem nicht ein Wort gesprochen oder sonst irgendetwas gemacht. Es waren schon Stunden vergangen, aber sie hörte immer noch deutlich ihr Herz pochen und spürte die Kälte, die ihren Körper zu einem einzigen Eiswürfel machte.

Am Versammlungsplatz hatte Turaga Nokama die Matoraner informiert, sie hatte eine Rede über die großen Verdienste Likhans gehalten, seine Heldentaten erzählt und von ihm geschwärmt... Doch Hahli hatte nicht zugehört, sie konnte sich einfach auf nichts anderes mehr konzentrieren, nur das eine schwebte ihr noch im Kopf... Likhan war fort... ein Oberhaupt, eine Persönlichkeit, wie Hahli noch nie einen angetroffen hatte... jemand, der die anderen mehr lobt als sich selbst, ein beschiedener und ehrenhafter Turaga, der nie wütend auf jemanden war und jedem seine Fehler verzeiht hatte... doch bei all diesen Eigenschaften, die Likhan hatte, machte Hahli nur eine Sache verdutzt: Sie selbst hatte noch gestern mit ihm gesprochen, sie selbst hatte ihm in seine Kanohi Hau geschaut... Und jetzt, war er weg, einfach so... Doch er wirkte noch gesund und voller Bereitschaft, wie... wie konnte er nur sterben? Einfach so?

Es war der Moment, wo Hahli die grauenhaftesten Dinge durch den Kopf flogen und sie sich immer wieder gegen die Maske schlug, in der Hoffnung, diese Gedanken verschwinden zu lassen... War es Mord? Wurde Likhan kaltblütig verraten und getötet? Doch wer würde es wagen, wer war so hasserfüllt, dass er Likhan, den freundlichsten Turaga des Universums, etwas heim büßen wollte? Oder... hatte Hahli etwas mit ihm zu tun? Ihr wurde noch mulmiger bei diesem Gedanken, ehe sie sich einen viel zu heftigen Kopfstoß erlaubte, dass ihre mit Tränen überfüllte Kanohi Kaukau ihr fast vom Kopf flog... War Likhan ihretwegen von dieser Welt gegangen? Sah er in Hahli eine Bedrohung? Konnte er ihr Schicksal voraussehen und deuten, dass sie eine Dunkle Toa werden würde?

„NEIN!“, schrie Hahli dann plötzlich, ihre Angelrute vor Wut auf den Boden schmeißend. Aufgebracht stampfte sie durch ihre Hütte, schlug gegen ihre Kisten, dass ihr Fuß vor Schmerz stach. Doch das kümmerte sie nun nicht mehr, wutentbrannt öffnete sie ihre Kiste und schmiss alles aus dem Fenster, ihre Bücher, die im tiefblauen Wasser verschwanden, und ihre Muscheln, die gegen den Boden zerbrachen. Sie brauchte das alles nicht, nichts schien ihr mehr einen Sinn zu haben... Likhan... hinfort... für immer...

* * *

Es waren einige Tage vergangen, die große Sonne hatte seit dem nicht mehr geschienen, jeder Morgen war trüb und der helle Glanz der Sonne wurde verhindert von einem Meer aus grauen Wolken. An einem Tag hatte es sogar geregnet, als würde selbst Mata Nuis Geist weinen. Wenn Hahli zu ihrer Arbeit ins Kolosseum aufbrach, sah sie keine Matoraner mehr, die fröhlich und heiter schwatzten und die lächelten und sich freuten. Nur noch triste Mienen begegneten Hahli, zumindest war sie aber froh, überhaupt jemanden zu treffen: Vhisola hatte seit dem Tod Likhans jede freie Sekunde im Kolosseum verbracht, Hahlis andere Freunde versuchten sich entweder genauso mit Dauerarbeiten abzulenken oder verriegelten sich in ihren Hütten. Hahli hatte auch für kurze Zeit überlegt, wie eine Voya-Nui-Schildkröte sich in ihrem Haus einzuschließen, mit der Zeit hielt sie es jedoch nicht mehr länger aus und beschloss, wieder zur Arbeit ins Kolosseum zu gehen. Die Spitze des Nordturm konnte man bei diesem Wolkenmeer schon fast gar nicht mehr erkennen und die Fenster waren immer noch mit Regentropfen übersät. Hahli fragte sich, ob sie jemals wieder die Sonne und einen strahlend blauen Himmel sehen würde, wie es jedoch den Anschein hatte, würde das schlechte Wetter und die Stimmung weiter anhalten... Dabei ist es doch der normale Ablauf der Dinge, Likhan wäre früher oder später gestorben... natürlich wollte niemand, dass er von seinem Volk geht, aber irgendwann hat keiner eine andere Wahl...

Hahli durchstreifte gerade den Kolosseumsgang mit den vielen Toa-Statuen... merkwürdig, denn irgendwie schienen auch die unbelebten Statuen traurig zu gucken, und ihre Rüstungen und Waffen strahlten nicht mehr ihre heroischen Abenteuer wieder. Hahli wollte gerade die Tür zum Nordturm öffnen und sich oben zwischen ihren Steinplatten verkriechen, als sie eine kalte Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie drehte sich rasch um – und starrte in das vertraute Gesicht Vhisolas.

„Vhisola!“, schreckte Hahli auf. „Lange nicht mehr gesehen.“

Als Antwort konnte sie nur unauffällig nicken.

„Ist was?“, fragte Hahli nach, als ihre Freundin nur auf den Boden starrte, als hätte sie vergessen, warum sie Hahli ansprach.

„Ähm, Hahli“, fing sie an, „nach dem Tod Likhans müssen wir ein neues Oberhaupt bestimmen.“ Hahli murmelte ein leises „Jaah“, obwohl sie darüber noch gar nicht nachgedacht hatte... ein neues Oberhaupt, jemand Neues, der die Geschehnisse auf dem Inselstaat Metru Nui kontrollieren wird. Hahli wagte es nicht mal, nur irgendeinen Vergleich an Likhan zu stellen, sie wagte es nicht daran zu denken, wer das neue Oberhaupt sein könnte und wer es werden will.

„Jedenfalls... jetzt findet gerade eine Besprechung statt... diesbezüglich des neuen Oberhaupts... und wir brauchen einen Schriftführer...“ - sie starrte dabei Hahli an, doch diese versuchte nicht, ihren Blick zu erwidern - „der eigentliche kann nicht kommen, ein Ko-Matoraner namens Ko... Kopeke...“ Vhisola schluckte beim Klang seines Namen, natürlich wusste sie wie Hahli, dass Kopeke auch über Likhan zahlreiche Chroniken geschrieben hatte. Diese waren ausnahmsweise die einzigen Schriften Kopekes, die Hahli sich jemals durchgelesen hatte, und sie musste gestehen... sie waren fast schon abscheulich... nie hatte Kopeke Likhans gute Seiten so sehr betont wie es alle anderen taten oder mal nicht versucht etwas an ihm zu kritisieren, sei es auch, wenn sein Turaga-Mantel mal schief hing. Und jetzt drückte sich Kopeke... was er wohl jetzt tut oder über Likhan denkt... Hahli war es eigentlich vollkommen egal.

„...und dann kommst ja nur noch du als Schriftführerin in Frage...“

Hahli zuckte mit den Schultern, sie hatte nichts dagegen diese Konferenz zu besuchen, neugierig war sie schon, diesbezüglich des neuen Oberhauptes. Vhisola wertete ihre Geste als „ja“ und beide gingen den Kolosseumsgang entlang. Die Fahnen der einzelnen Metrus hingen nun nicht mehr dort, stattdessen wehten schwarze Banner mit einer weißen Kanohi Hau... dem Zeichen Likhans...

Nach wenigen Metern gingen beide in einen Seitengang und eine Treppe hoch, die nur von einer einzigen Fackel beleuchtet war, und am Ende des Ganges befand sich eine hölzerne Tür. Vhsisola schubste sie zur Seite und beide traten ein. Hahlis Blick viel sofort auf den kreisrunden Tisch und den Stühlen in der Mitte, an denen sechs Turaga saßen. Ansonsten hatte der Raum nicht viel zu bieten, zwei Fackeln beleuchteten das steinerne Zimmer und der Tür gegenüber war ein Fenster mit Blick auf das Innenleben des Kolosseums, welches genauso verregnet war und die Tropfen einem einen Blick auf die riesige Arena verwehrten.

„Ah, Vhisola, da bist du ja. Und eine Schriftführerin hast du auch mitgebracht!“, sagte ein ganz in grün gerüsteter Turaga, während Hahli sich aus ihrer Tasche eine Steinplatte und einen Meißel nahm und sich neben Vhisola am Tisch setzte.

„Turaga Matau, das ist Hahli“, stellte Vhisola dem Luft-Turaga Hahli vor.

„Willkommen-sein!“, sprach er und Hahli bemerkte sofort seinen Baumsprachenakzent. Die Matoranerin konnte ihm jedoch nur verlegen zunicken und schaute die sechs Turaga der Reihe nach an: Sie alle hatte Hahli schon auf den Gängen gesehen, ihre Namen wusste sie jedoch umso weniger. Die sechs Turaga waren der Rat der Ältesten und einige der ersten Toa Metru Nuis, sie unterstützten Likhan beim Regieren und gelten als hohe Tiere, wie Hahli es schon zu Ohren kam. Einer der sechs Turaga, jeder aus einem der sechs Metru, fiel Hahli jedoch besonders auf: Ein in rot gekleideter Turaga mit einer schwarzen Kanohi Kirill – Er war Hahli in ihren Träumen begegnet – kein geringerer als Turaga Dume, Turaga der Stadt Ta-Metru.

Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, während er mit dem Lippen kräuselte und seine Finger fast schon ungeduldig gegen den Tisch klopften. Sein mürrischer Blick machte ihn zwischen all den anderen Turaga zu etwas Einzigartigem... selbst ein einäugiger Gadunka wäre beim Anblick des Rats der Ältesten sofort zu Dume geschwommen, seine Ausstrahlung war enorm. Hahli schenkte ihm einen musternden Blick und fixierte ihn wie ein Gukko sein Fressen. Als der Turaga jedoch ihren Blick kreuzte, senkte Hahli den Blick schnell zu ihrer Steinplatte und tat so, als würde sie etwas aufschreiben. Dumes rubinrote Augen hatten schon etwas Durchdringendes, ganz anders als die behutsamen Augen Likhans. Wenn man Dume in die Augen schaute, spürte man sofort, dass mit ihm nicht gut Kikanalo-Reiten ist.

„Werte Turaga“, begann Vhisola schließlich die Versammlung und erhob sich dabei von ihrem Stuhl. Für einen kurzen Moment musterte sie die Anwesenden, schaute jedem Einzelnen in die Augen, ehe sie dann fortsetzte.

„Als stellvertretendes Oberhaupt heiße ich Euch, Turaga Matau, Dume, Nokama, Onewa, Ihu und Whenua willkommen.“

Hahli notierte flüchtig die Namen aller Versammelten und bemerkte es, als sie den Namen „Whenua“ kritzelte, dass der Leiter der Onu-Metru-Minen auch im Rat saß, jener, der sie mit Fragen durchbohrte wie ein Werkzeug eine Minenwand. Hoffentlich musste Hahli ihm dieses Mal keine Antworten geben, denn zum Sprechen hatte sie in dem Moment nun wirklich keine Lust.

„Ich denke, ich brauche den Grund nicht weiter anzusprechen, warum wir alle hier sind.“ Vhisola schaute traurig zu Boden, ehe sie tief Luft holte und wieder fortsetzte. „Vor wenigen Tagen ist Turaga Likhan gestorben. Niemand weiß wieso... oder warum und jede Mutmaßung wäre eine Beleidigung seiner selbst. Er war nicht nur ein Oberhaupt, sondern ein fürsorglicher, mutiger und ehrenhafter Turaga und als Toa eine Legende.“ Eine kurze Stille trat ein, in der man nur Hahlis Schreibwerkzeug hörte. Sie huschte kurz auf und sah die traurigen und zu Boden gesenkten Mienen der Turaga. Nur Dume blickte schnippisch zu Vhisola auf, doch Hahli versuchte erst gar nicht, an irgendwas zu denken, denn wie Vhisola gesagt hatte, es wäre Likhan respektlos gegenüber.

„Und nun gilt es, ein neues Oberhaupt zu wählen. Metru Nui muss so schnell wie möglich wieder regierungsfähig werden.“ Die Turaga schauten sich alle an und tuschelten, aber Hahli hörte nicht hin, sie war nur auf die Buchstaben konzentriert, die sie in die Steinplatte meißelte.

„Normalerweise sagt es die Tradition, dass das amtierende Oberhaupt noch vor seinen Tod einen Nachfolger bestimmt. Da dies jedoch nicht der Fall war, wurde von Likhan selbst ein Plan ausgearbeitet, wie Metru Nui an ein neues Oberhaupt kommen kann. Fast schon...“

Sie hielt kurz inne und starrte auf den leeren Tisch, der Mund stand Vhisola offen. Hahli wusste genau, ihr lag etwas auf der Zunge, sie wollte es sagen, sagen, dass Likhan aus einem bestimmten Grund gestorben sei...

„Nun, sein System hatte er einst niedergeschrieben.“ Vhisola wühlte in ihrer Tasche und nahm wenige Sekunden später eine kleine, hölzerne Schatulle zum Vorschein, die sie langsam öffnete, und alle Turaga bis auf Dume ihr gespannte Blicke schenkten und Matau sich fast schon auf den Tisch lehnte, um einen Blick auf die Schatulle zu werfen.

„Ich werde Likhans Plan nun vorlesen.“ Sie räusperte sich kurz und nahm eine Steinplatte aus der Schatulle.

Kapitel 6: Das Erbe Likhans[]

„Wer dies in den Händen hält, darf davon ausgehen, dass Turaga Likhan nicht mehr unter den Lebenden Metru Nuis weilt. Ihr Matoraner, deren Oberhaupt ich jeden Tag mit Freude sein durfte, vergießt meinetwegen keine Tränen. Wenn ich von dannen bin, wird eine Zeit einkehren, in der der goldene Stuhl Metru Nuis leer sein wird und staubig werden wird... Ja, ich hinterlasse euch keinen Nachfolger... Doch seid nicht besorgt, ihr Matoraner dieser wunderbaren Stadt, dieser stolzen Metrus und dieser traumhaften Welt. Ich hinterlasse euch die Möglichkeit, eure Heimat selbst zu gestalten... eure Träume selbst zu verwirklichen und denjeniegen zum Oberhaupt zu wählen, der euer bester Freund war und jemand, den ihr immer auf der Straße getroffen habt. Ich gebe euch die Möglichkeit euch zusammen zu finden, in Verbänden und die Meinungen eurer Freunde, eurer Bürger zu vertreten, eures Volkes.“

Vhisola hielt kurz inne, sie wirkte etwas verwirrt und durcheinander. Hahli konnte das Zittern in ihrer Stimme hören, wie es von Silbe zu Silbe immer deutlicher wurde. Sie spürte, Vhisola hatte Angst, sie war wie eine Abenteurerin, die in unbekanntes Gebiet vorstieß, einen Flussstrom entlangfuhr, der immer schneller wurde.

„Ich werde euch nun das neue, politische System Metru Nuis auf dem Weg geben, welches schon vor tausenden Jahren von den Denkern Karda Nuis entwickelt wurde. Freut euch, Matoraner und Turaga, denn ihr seid nun nicht mehr gekoppelt an Oberhäupter, die ihr selbst nicht bestimmen durftet.

Zu erst sollen sich alle eintreffen – alle, die glauben, sie können das neue Oberhaupt der Insel Metru Nui werden. Findet und meldet euch, egal, ob Matoraner oder Turaga, egal welchen Metrus, welcher Stadt, welchen Ortes. Ihr seid die ausführende Kraft in diesem Staat, ihr sollt gewählt werden vom Volke, jeder darf mitbestimmen, wer das neue Oberhaupt werden soll und unsere Heimat anführen soll, wie ich, Panshasa, Nidhiki, Tuyet, Lesovikk, Vakama, Nuju und Jovan es vor euch getan habt.

Und zweitens: Ein guter Anführer kann nur mit einer guten linken und rechten Hand bestehen. Es soll ein Forum, ein Parlament entstehen, Matoraner jeglicher Interessen, versammelt euch in Verbänden und Parteien – ihr seid die Gesetzgebung, genau wie das Oberhaupt, sollt auch ihr gewählt werden, sodass Mehr- und Minderheiten im Parlament entstehen. Und ihr seid die, die Aug um Aug mit dem Oberhaupt zusammenarbeiten und Beschlüsse schmieden, die eure Freunde, euer Volk, eure Bürger zufrieden stellen, wie es nur eine Kanohi des Friedens tun kann. Nun auf, auf in neue Zeitalter, meine Freunde, ihr Matoraner und Turaga dieses Paradieses, Metru Nui.“

Es schienen Stunden zu sein – Stunden, in denen keiner ein Wort redete, in denen die fünf Turaga einfach so umherrstarrten, in denen Dumes Blick noch schnippischer wurde und sein Klopfen immer ungeduldiger und in denen Vhisola verwirrt in ihren Stuhl fiel, als ob sie von einer Felslawine überrumpelt wurde. Und dann plötzlich war es Onewa, der aufstand und das Wort ergriff, flüchtig schenkten ihm alle einen verwunderten Blick zu.

„Nun“, er räusperte sich kurz, „wenn es Likhans letzter Wille ist, dann müssen wir dem nachgehen!“

Hahli notierte schnell seine Aussage. Kaum hatte sie zu Ende geschrieben, hatte sie das Gefühl, dass Onewa eine Flut an Meinungen ausgelöst hatte.

„Aber wie sollen wir das alles so schnell hinkriegen? Es braucht Monate, wir müssen die Matoraner informieren, wir müssen Wahlen veranstalten“, sagte Whenua, dem ein Kritzeln Hahlis folgte.

„Es ist die einzige und beste Möglichkeit“, erwähnte Ihu, ehe Nokama zu Wort kam: „Ich gebe Ihu Recht, Likhan hat sich nicht einfach so den Kopf über die Politik Metru Nuis zerbrochen. Versteht ihr nicht, er will uns Freiheit schenken – und Selbstverantwortung.“

„Schön-reden, Nokama!“, Hahli brauchte nicht mal den Kopf zu heben, um zu erkennen, dass Matau nun sprach. Sein Baumsprachenakzent war unüberhörbar. „Likhan hat sich meiner Meinung zu wenig Gedanken gemacht-haben. Dieses System löchrig-ist, kompliziert! Generationen erlebt-haben die Oberhäupter als autoritäre Mächte, Generationen wurden bestimmt-sie, nicht gewählt. Was sollte schieflaufen-diesmal? Alle glücklich-waren mit Oberhäupter, mit Rat, Parlament-ohne!“

Kaum hatte Matau zu Ende gesprochen, polterten alle Turaga aufeinander los, diskutierten, dass Hahli es überhaupt nicht mehr schaffte, auch nur irgendwas aufzuschreiben, geschweige denn zu erkennen, wer gerade was sprach. Nur Dume hielt sich am Ende des Tisches zurück, den Blick abwechselnd auf Vhisola und die sich streitenden Turaga gerichtet. Er klopfte noch einmal mit den Fingern auf den Tisch, als er dann auf einmal aufstand, seine Hände hob und...

„RUHE!“, seine Stimme klang kratzig und hatte einen etwas grimmigen Unterton. Alle wendeten ihre Blicke auf ihn, schnurstracks waren die restlichen Turaga verstummt.

„Turaga Dume, Ihr wollt etwas sagen?“, fragte ihn Vhisola, die selbst etwas eingeschüchtert klang.

„Gewiss doch“, er stand auf und ging, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, auf und ab.

„Natürlich hatte sich der ehrenvolle Likhan bei diesem System etwas gedacht. Natürlich liegt ihm das Wohl dieser Nation am Herzen, wie sie es schon immer tat. Und natürlich gibt es keinen anderen Ausweg aus diesem Dilemma, als Likhans neues System durchzusetzen, koste es uns doch unser Kolosseum.“ Er machte eine kurze Pause, musterte die Anwesenden, Hahli fixierte er jedoch merkwürdigerweise etwas länger als die anderen und er setzte erst fort, als Hahli wieder so tat, als würde sie etwas notieren. „Likhan ist tot. Wie wollen wir sonst das neue Oberhaupt bestimmen? Es würde uns nur in Streitigkeiten, Missstände und Verrat führen. Und am Ende hätten wir Likhan-Treuen unser Vertrauen in ihn selbst gebrochen.“ Dume machte wieder eine Pause, starrte diesmal aber aus dem Fenster in das Innere des Kolosseums. Wie er etwas erkennen konnte, war Hahli ein Rätsel. „Wahlen zeigen, wie sehr man sich wirklich für das Volk einsetzt, wie wichtig jemanden die Matoraner und Turaga Metru Nuis wirklich sind. Wahlen zeigen wie nichts andere die wahren Stärken und Führungsqualitäten... und die Zusammenarbeit mit dem Parlament erst recht seine Loyalität zum Staat und zum Frieden.“ Der Turaga machte kehrt und setzte sich wieder an seinen Tisch, die Finger verschränkt und in die Runde schauend. „Ich schlage vor, wir bestimmen die ersten Oberhauptskandidaten hier und jetzt. Und dann verkünden wir diese Botschaft den Matoranern. Vhisola!“

Dume schrie ihren Namen förmlich, dass die Ga-Matoranerin aufschreckte. „Du sollst verantwortlich sein alle freiwilligen Kandidaten aufzusuchen und zu protokollieren. Du sollst die Verbände und Parteien auf dem Laufenden halten, verstehst du?“

Vhisola nickte nur kurz und schaute dann verlegen zu Boden. Sie schien überrascht von Dumes Auftreten, normalerweise war sie diejenige, die gerne kommandierte. Kurz darauf erhob sich Nokama von ihrem Stuhl. „Jetzt gilt es, Kandidaten zu finden“, sagte sie und blickte Richtung Dume. „Zum einen würde ich Euch vorschlagen, Turaga Dume, Turaga von Ta-Metru.“

Hahli merkte, wie er gierig lächelte, wie er seine Mundwinkel mühte, keine Gefühle zu zeigen und nur mit den Lispern kräuselte. „Es wäre mir eine Ehre, in den Wahlkampf zu ziehen!“, zischte Dume, während die anderen Turaga ihm zunickten und „Ja!“, schrien. Dann erhob sich jedoch Whenua, die Hände verschränkt. „Auf der anderen Seite würde ich jedoch Vhisola vorschlagen.“ Die Ga-Matoranerin blickte auf und Hahli sah, wie sich ihre Augen ausweiteten, als könne sie nicht glauben, was Whenua gerade gesagt hätte.

„Vhisola war die linke Hand von Likhan, er vertraute ihr mehr als man denkt. Dass sie Führungsqualitäten hat, hat sie oft genug bewiesen.“ Mehrere Augenpaare huschten in Richtung Vhsiola, die mittlerweile leicht rot angelaufen war, wie Hahli es nur selten von ihr gewöhnt war, wenn überhaupt. Einige Turaga nickten wieder, flüsterten „Ja!“, nur Dume regte sich nicht und schenkte der Ga-Matoranerin einen musternden Blick, seine Augen waren dabei zu Schlitzen verformt.

„So soll es sein!“, es war Onewa und ihm stimmten die anderen Turaga mit einem weiteren „Ja!“ zu.

„Vhisola, Stellvertreter von Likhan, dem Ehrenhaften, stellst du dich zur Wahl?“

Für wenige Sekunden herrschte Stille im Raum, selbst Hahli hatte aufgehört zu kritzeln. Ihre Freundin, Vhisola, mit der einmaligen Gelegenheit Oberhaupt von Metru Nui zu werden. Eine Persönlichkeit wie ihre ist fast schon bewundernswert und ihre Fähigkeiten, ihre Qualitäten. Hahli konnte einfach nur von ihr schwärmen, umso mehr fragte sie sich, warum Vhisola so lange überlegte. Als sie dann den Blick zu Hahli schweifte, bemerkte sie ihre besorgte Miene, ihre zitternden Lippen, ihr unsicherer Blick... Hahli wusste genau, irgendwas machte Vhisola die Entscheidung schwer, irgendwas saß auf ihren Schultern, bedrückte sie. Ihr hilfloser Blick verriet Hahli alles.

Komm schon, Vhisola! Du schaffst es, du wirst es packen! Oberhaupt Vhisola, du bist beliebt! Du wirst jeden Matoraner auf deiner Seite haben!, dachte Hahli und wünschte sich, sie könne diese Wörter in dem Moment aussprechen. Doch das einzige, was sie derweil machen konnte, war, Vhisola breit anzugrinsen. Und irgendwie... Vhisola musste zurück lächeln, ihre Augen waren nun nicht mehr zwei rote Angstbälle, nein... es war, als ob Vhisola Hahlis Gedanken lesen konnte.

„Meine geehrten Turaga... ich werde mich der Wahl stellen!“

Die fünf Turaga fingen an zu klatschen und das einzige, was Hahli jetzt in diesem Moment machen wollte, war Vhisola um den Hals zu fallen. Sie drückte sie so fest, dass Vhsiola sie lachend von sich stoßen musste. „Mann, Hahli. Du bist ja wie einer dieser Klammeraffen aus Le-Metru.“ Beide mussten laut kichern. Ja, irgendwie war alles vergessen, die Trauer, das Leid... Likhan... jetzt sollte eine neue Ära einbrechen, ein neues Zeitalter... mit Vhisola an der Spitze Metru Nuis...

Weder Hahli, noch Vhisola bemerkten, wie plötzlich wieder Sonnenstrahlen durch das Wolkenmeer brachen... und wie Dume ihnen einen grimmigen Blick zuwandte...

Kapitel 7: Ein großer Riku-Fisch[]

Wochen vergingen auf Metru Nui fast schon wie Sekunden, alles verlief plötzlich schnell auf dem Inselstaat. Ungewöhnlich schnell sogar, denn Hahli wusste ganz genau, dass die Matoraner Metru Nuis es gelassen mögen und ihre Arbeit ruhig angehen, wenn man nicht gerade Vhisola heißt. Die Insel war dafür im ganzen Universum berühmt wie die Makuta für ihren Hang zur Brutalität.

Doch mittlerweile war das alles anders: Nicht nur das Wetter hatte sich geändert, Hahli hatte das Gefühl, die Matoraner Metru Nuis würden nun nicht mehr friedlich zur Arbeit schlendern. Alles war in Bewegung, niemand ruhte sich gemütlich am Straßenrand aus. Und auch Neuigkeiten verbreiteten sich ungewöhnlich schnell: Es waren erst wenige Stunden nach der Konferenz vergangen, wenige Stunden nach dem Vhisola und Dume als Oberhauptskandidaten feststanden, da wusste auf einmal die ganze Insel, jedes Metru und jeder Matoraner davon – von den Wahlen, von den Parteien, von Metru Nuis Zukunft. Die ganze Insel war in einem Rausch und jeder sehnte sich nach den Wahlen.

Es war ein ruhiger und sonniger Tag in Ga-Metru. Hahli musste heute nicht zur Arbeit gehen und hatte sich mit ihrer Freundin Kotu zum Angeln am Hafen verabredet. Kaum schien die große, rote Sonne durch ihr kleines Fenster, stieß sie windeseilend aus dem Bett, nahm ihre Angelrute und ihre Tasche und stürzte in Richtung Hafen. Das Meer war wie immer ruhig, Hahli hatte fast schon vergessen, wie es zitternd aussieht.

„Oh, Hahli, hallo!“, begrüßte Kotu sie dann, als Hahli am Hafen angekommen war und Kotu schon längst einen Platz reserviert hatte. Aber das war typisch für ihre Freundin, sie war immer pünktlich und hasste es einfach, wenn man auch nur eine Sekunde über der vereinbarten Zeit zu spät ist. Bei Hahli machte sie allerdings gerne eine Ausnahme, selbst wenn sie Kotu schon öfters aufgebracht erlebt hatte, nur weil Hahli mal nicht die große rote Sonne im Blick hatte.

„Hallo“, grüßte Hahli zurück, plumpste auf den Wegrand und warf ihre Rute mit einer weiten Streckbewegung in Richtung Meer. Links und rechts der beiden waren zahlreiche Hafenstege, die scheinbar endlos ins Meer führten und an deren Seiten waren die verschiedensten Boote befestigt. Hier und da gingen einige Ga-Matoraner die Stege entlang, sprangen in ihre Boote oder seilten sie ab. Einige setzten die himmelblauen Segel, andere befestigten eine blaue Fahne mit einer Kanohi Kaukau an ihren Böten. Dann schwamm auch mal ein Boot am Horizont vorbei oder segelte der Sonne entgegen, bis es nur noch ein winziger Punkt auf dem Meer war.

„Hab' einen!“

Kotu hob ihre Arme gen Himmel, ihre Angelrute schnallte blitzschnell aus dem Wasser – und ein kleiner Riku-Fisch zappelte zwischen den beiden Matoranern.

„Sieht nicht gerade groß aus“, sagte Hahli und bemerkte dabei nicht, wie ihre Rute im Meer hin und her zappelte. Kotu nahm daraufhin den Riku zwischen ihre Hände, der nicht mal größer war als ihre Finger, inspizierte ihn genau und warf ihn dann wieder ins Wasser.

„Mann, das geht heute schon den ganzen Tag so!“, jammerte sie und schwang ihre Angelrute genervt ins Meer zurück.

„Du kannst eben nicht alles haben, Kotu. Angeln ist Geduldssache.“

„Ja, schon.“

„Ich dachte, wenn du mich immer zu spät kommen lässt, musst du doch eine Menge Geduld haben, nicht?“

Kotu kicherte kurz und musste Hahli breit angrinsen. Für die nächsten paar Minuten redeten sie jedoch nicht, in der Zwischenzeit dachte Hahli, sie hätte einen Riku gefangen, doch als sie die Angel blitzschnell in die Höhe stieß, plumpste der Fisch wieder zurück ins Meer.

„Sag' mal“, begann Kotu dann wieder nach einer Weile. „Du warst doch als Schriftführerin im Kolosseum dabei. Du weißt schon, bei dieser Konferenz.“

Hahli verdrehte die Augen. Kotu war bei Weitem nicht die einzige, die sie darauf angesprochen hatte, seit diesem Tag wollten allerlei Ga-Matoraner Hahli unbedingt danach befragen. Eigentlich hätte sie nicht geantwortet, aber Kotu war eine zu gute Freundin.

„Ja, aber das weiß doch mittlerweile das ganze Metru.“

„Klar, aber... erzähl' mal... wie war's?“

„Na ja.“ Vor Hahlis Augen kamen plötzlich wieder die Bilder von vor einer Woche auf. Die gesamte Konferenz, Vhisola, die Turaga... und auch Dume. „Wie du eigentlich mitbekommen haben solltest, gibt’s bald Wahlen. Wir wählen jetzt unser Oberhaupt.“

„Ja, ja, das weiß ich doch! Erzähl mir lieber von Vhisola!“

„Du kennst sie doch. Ein Arbeitsrahi, sie wird’s schon meistern. Ich vertraue ihr...“, Hahlis Angelrute zappelte, aber sie ließ sie unbeachtet. Stattdessen kam ihr ihre Freundin Vhsiola noch einmal vor Augen. „Und stell dir vor, Kotu. Vhisola als Oberhaupt Metru Nuis, als Nachfolger Likhans. Das wäre Wahnsinn, als ob wir beide die Maske des Lebens geschmiedet hätten. Vhisola, mit ihren Ideen, ich meine...“ Auch Kotus Rute zappelte unruhig hin und her, als wolle der Riku unbedingt an die Oberfläche. Aber Kotu schenkte dem Angeln nun keine Aufmerksamkeit mehr.

„Vhisola als Oberhaupt, ja, ja... Aber was kannst du über Dume sagen?“

Hahli zuckte die Achseln. Sie wusste immer noch nicht recht, was sie von Dume hallten sollte. Schließlich war er es, der die Turaga davon überzeugt hat, Wahlen stattfinden zu lassen, aber irgendwie verhielt er sich auch ziemlich komisch, er hatte etwas Gerissenes. „Also ich weiß nicht. Noch macht er einen seltsamen Eindruck auf mich, aber... viele berühmte Toa waren ja auch seltsam und gleichzeitig gutmütig, also... Ich denke nicht, dass er aus Metru Nui eine Kriegsfestung macht.“

Beide widmeten sich nun wieder dem Angeln, Hahli hatte es endlich geschafft, einen Riku von der Größe ihres Arms zu fangen, den sie kurz darauf in ihrer Tasche verschwinden ließ.

„Wenn du mich fragst“, ergriff Kotu dann plötzlich wieder das Wort, „ich finde diese ganzen Abstimmungen spannend. Wie wir selbst unsere Politik wählen können, das ist klasse. Und ein tolles Erbe von Likhan. Meintest du nicht, er hätte das System von den Denkern Karda Nuis übernommen?“

Hahli nickte kurz.

„Siehst du! Aus Karda Nui kommt immer nur Gutes. Und dann die Parteien! Ui, weißt du schon, welche es geben wird? Ich kann mir vorstellen, die Ko-Matoraner werden bestimmt einen Verband zur Erhaltung ihres Wissens gründen, denen ist doch die Wissenschaft lieber als ihr eigenes Leben.“ Hahli starrte nur in die Tiefen des Ga-Metru-Meeres und konnte wieder nur die Schultern zucken lassen. „Ich weiß nicht, welche Parteien es geben wird, Kotu. Aber Vhisola wollte morgen mit mir die restlichen Oberhauptskandidaten und Parteien besuchen, sie wird’s mir also schon sagen.“ Kotu konnte ihr zur Antwort nur eifrig nicken und wandte sich wieder dem Angeln zu. Genau in dem Moment hob sie ihre Rute schlagartig in die Höhe und ein Riku, von der Größe ihrer Kanohi landete auf ihrem Schoß. Das Rahi zappelte wild und versuchte verzweifelt wieder ins Meer zu flüchten, ehe Kotu ihn mit einem festen Griff in ihre Tasche verstaute. „Das gibt aber ein leckeres Abendessen heute!“ Kotu wollte gerade ihre Angelrute zurück schleudern, sie hatte schon ihre Finger am Griff... als plötzlich...

„WÄHLT DUME! TURAGA DUME ZUM NEUEN OBERHAUPT METRU NUIS! WÄHLT DUME, DEN TURAGA TA-METRUS UND VORSITZENDEN DES RAT DER ÄLTESTEN, BALD EUER OBERHAUPT!“

Die Stimme hallte so laut durch den Hafen, dass Kotu ihre Angelrute vor Schreck fallen ließ und sie ins Meer plumpste, wo es nur noch ein Stück nasses Holz war, was willkürlich vor sich hin trieb.

„Grr“, zürnte sie und machte dabei eine wütende Miene, wie Hahli es nur von ihr gewöhnt war, wenn ihre Verabredung zu spät kommt. „Wer beim Geweih der Mata-Nui-Kuh stört mich beim Angeln?“ Wutentbrannt stampfte sie den Hafenweg hoch, ihre Augen funkelten vor Wut, sie knirschte dabei ihre Zähne und Hahli befürchtete, Kotu könnte die Fäuste schwingen, wenn sie sie nicht begleitet. Schnell packte die Matoranerin ihre Angelrute zur Seite und folgte der wütenden Kotu den Hafenweg hoch, wo ein einzelner, karger Baum stand, an dem nicht ein einziges Blatt hing. Es war der berüchtigte Baum des Meeres, der schon seit Urzeiten in Ga-Metru stand. Viele Matoraner meditierten oft vor dem Baum, in der Hoffnung, dass ihre Wünsche erfüllt werden, Hahli hatte sogar schon erlebt, wie einige mit dem Baum sprachen, als wäre er ein weiser Turaga. Und wieder einmal war der Platz um den Baum herum nicht leer, aber diesmal standen keine Ga-Matoraner um ihn herum – es war ein Ko-Matoraner und Hahli erkannte ihn sofort auf den ersten Blick: Es war Kopeke, der lästige Chronist.

„WÄHLT DUME! ER IST DIE KRAFT, DIE UNS VOR DER FINSTERNIS BEWAHRT!“, schrie Kopeke und hielt dabei eine Steinplatte in den Händen. Kotu marschierte aufgebracht auf ihn zu, doch Hahli unternahm es nicht mehr länger, sie aufzuhalten... Viel mehr war sie darüber verwundert, dass Kopeke tatsächlich für Dume arbeitet... Und ihn dabei unterstützt, die Wahl zu gewinnen. Doch warum setzt Dume jemanden wie Kopeke ein und wirbt nicht selbst für sich?

„Du da! Du hast mir meine Angelrute kaputt gemacht!“, fauchte Kotu und nahm Kopeke an den Schultern, als wolle sie ihn durchschütteln. Der Ko-Matoraner war jedoch flink genug, sich aus ihrem Griff zu befreien.

„Gewiss doch, ich war nie an der Zerstörung deiner Angelrute beteiligt!“, wies er Kotus Klage zurück und wollte schon weiter gehen. Da packte die Ga-Matoranerin ihn jedoch erneut an der Schulter.

„So, wie du aussiehst, hast du selbst noch nie geangelt!“, brüllte sie.

„Aber ja doch!“

„Werd' nicht frech!“, polterte Kotu und schaute ihm mit wütender Miene direkt in seine kalten, abwesenden Augen. „Euch Ko-Matoranern ist vielleicht die Wissenschaft wichtig, aber uns ist das Angeln genauso wichtig! Wenn du nicht so geschrien hättest, wie ein tollpatschiger Kikanalo, hätte ich meine Rute nicht verloren!“ Sie drückte Kopeke an sich ran, dass ihre Kanohis sich fast berührten.

„Tja“, sagte Kopeke dann und wirkte kaum eingeschüchtert. Er befreite sich aus Kotus Griff und setzte dann fort: „Vielleicht solltest du dann besser Turaga Dume wählen, denn ich bin mir sicher. Unter seiner Führung wird es Angelruten für alle geben.“

Kotu machte einen verdutzten Blick, als hätte Kopeke ihr gerade die chemische Zusammensetzung von Antidermis in dreißig Sekunden erklärt. „Ja, Turaga Dume, stolzer Turaga Ta-Metrus setzt sich für die Rechte und Freiheiten seines Volkes ein. Unter seiner Herrschaft schreiben wir 'Gerechtigkeit' groß und jeder kriegt das, was einen glücklich und zufrieden macht. Dume hört zu, Dume setzt sich ein, Dume wird gewählt! Auch von euch, Ga-Matoraner!“ Auf Kopekes Kanohi breitet sich ein scheinheiliges Lächeln aus, während er Kotu seine Steinplatte in die Hände drückt. Hahli huschte herbei und schaute Kotu über die Schultern:

WÄHLT DUME!
Turaga Dume, Turaga von Ta-Metru, bittet im ersten Herbstmonat dieses Jahres um deine Stimme zur Oberhauptswahl.
Unter seiner Herrschaft verspricht der groß-würdige Turaga folgende Tugenden:
Nieder mit strengen Grenzen! Jeder Matoraner darf sich frei und ohne Einschränkung auf der gesamten Insel bewegen und den Interessen nachgehen, für die sein Herz schlägt!
Die Gemeinschaft Metru Nuis soll gestärkt werden: Jeder ist für jeden da und jeder kümmert sich um jeden!
Perspektiven! Jeder Matoraner darf sich im neuen Metru Nui am Dialog zwischen Oberhaupt und Volk beteiligen!
WÄHLT DUME! Denn Dume ist der Schlüssel zur Ewigkeit!

„Wenn Dume sich für so toll hält, warum geht er dann nicht selbst auf die Straßen, sondern engagiert einen zweitklassigen Chronisten!“, fauchte Hahli den immer noch breit grinsenden Kopeke an.

„Zweitklassig? Gut, in Anbetracht mit Dume sind wir alle unvollkommen, aber ich bitte dich, wie war noch mal dein Name? Huhlo?“

„HAHLI!“, polterte die Ga-Matoranerin und spürte, wie ihre Hand sich zu einer Faust ballte.

„Wie auch immer. Aber im Gegensatz zu Vhisola macht Dume auch etwas. Ich bin mir sicher, er sitzt in den Kolosseumskammern und überlegt sich, was er noch alles für die Matoraner bieten kann.“

Tief in ihrer Brust hatte sich ein Feuerball gebildet, Hahlis ganzer Körper war durchströmt von Wut. Sie hatte ihre Hände so sehr zusammengeballt, dass ihre Finger schmerzten.

„VHISOLA MACHT ALSO NICHTS!“, schrie sie, dass Kopeke zur Seite wich. „Du fauler, dreckiger Chronist, verschwinde hier!“ Hahli sah, wie Kopeke gerade seinen Mund aufmachte, um ihr etwas zu entgegnen, da nahm sie Kotu die Steinplatte aus den Händen und warf sie in Richtung Kopeke, dass er mit einem angsterfüllten Blick zu Boden fiel, und kurz darauf los rannte.

„HAU AB!“, polterte Hahli, als der Ko-Matoraner sich kurz umgedreht hatte. „Was für 'ne Eisbeule.“

Hahli wollte gerade wieder in Richtung Hafenpier gehen, da bemerkte sie, dass Kotu ihr nicht gefolgt war.

„Kotu?“, fragte Hahli und blickte in Richtung ihrer Freundin, die die Steinplatte aufgehoben hatte und ein erneutes Mal las.

„Sag bloß nicht, dich hat das irgendwie beeindruckt.“ Doch Kotu antwortete nicht, sie las immer noch die Steinplatte.

„Na ja“, murmelte sie dann und betrachtete die Platte wie ein seltenes Artefakt von allen Seiten. „Schlecht klingt es ja nicht.“

„Heißt das, du willst Dume anstatt Vhisola wählen? Kotu, du kennst sie doch, sie ist eine fantastische Matoranerin!“

„Schon, aber... wie Kopeke gesagt hat, sie hat noch nichts wirklich für den Wahlkampf getan.“

Hahli konnte einfach nicht glauben, was Kotu ihr da erzählte. Hahlis Gedanken waren zermürbt, sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte, was sie denken sollte. Vhisola war ihre Freundin, und alles, was sie sagte, war voller Güte und Ehrlichkeit. Bisher konnte sie sich nicht vorstellen, dass Dume oder irgendwer anderes den Thron Likhans einnehmen wird. Doch jetzt wusste Hahli, Vhisola hat es mit einem echten Konkurrenten zu tun... und dieser wird nicht ruhen, bis er die Matoraner auf seiner Seite hat.

Kapitel 8: Wahlkampf[]

„Hahli! Hahli, hörst du mich?“

„Was?“

Hahli schwenkte ihren Kopf nach links und rechts: Ein meterhohes Gebäude ragte bis an den Rand des Himmels und Röhren mit einer smaragdgrünen Flüssigkeit durchquerten das Meer von Häusern. Rauch stieg aus dem großen Gebäude hervor und bedeckte den klaren, sonnenbeschienenen Himmel. Zu ihrer Rechten befand sich ein Urwald, in Millimeterabständen waren die Bäume aneinandergereiht und das dichte Laub ließ kaum einen Blick ins Herz des Waldes offen.

Hahli befand sich in Le-Metru, der Stadt der Luft-Matoraner und ein Ort, wo die Städte und Industrien der Stadt den Urwald auffraßen wie ein Hikaki einen Wurm. Le-Metru war das Metru der Technologien, viele Matoraner tüftelten an Rüstungen, an Gleitern oder Werkzeugen und verbringen ihr ganzes Leben mit nichts anderem, als sie auszutesten – und riskieren dabei häufig einen Beinbruch.

„Hahli?“ Es war Vhisolas Stimme. Hahli war mit ihr nach Le-Metru gereist, um die restlichen Oberhauptskandidaten zu finden und sie natürlich im Wahlkampf zu unterstützen.

„Alles in Ordnung?“

Hahli nickte nur kurz.

„Gut. Laut Turaga Matau soll ein gewisser Piruk sich als Kandidat gemeldet haben. Er arbeitet als Leiter der Le-Metru-Teststrecken, also sollten wir hier entlang.“ Mit einer Handbewegung zeigte Vhisola Hahli den Weg in Richtung eines langen, sechseckigen Tunnels, der wie eine riesige Schachtel inmitten des Häusermeeres wirkte.

„Hoffentlich spricht der nicht Baumsprache, ich hatte schon Probleme Turaga Matau zu verstehen!“ Vhisola schüttelte den Kopf und nahm eine Steinplatte aus ihrer Tasche hervor. „Ach ja, eine Partei ist hier auch beheimatet. Die... Die RaHi-Partei... Merkwürdiger Name. Aber was soll's, es war schließlich Likhans Wille.“ Vhisola steckte die Steinplatte wieder in ihre Tasche und setzte ein breites Grinsen auf. Noch hatte Hahli ihr nicht von Kotu erzählt, oder von Kopeke und Dume. Vhisola arbeitete jetzt schon akribisch, da wollte Hahli sie nicht noch mehr unter Druck setzen. Sie war zuversichtlich, dass Vhisola es schaffen wird, irgendwas machte Hahli sicher, dass ihre Freundin die Wahl gewinnen wird und neues Oberhaupt Metru Nuis werden wird.

„Wo du gerade die Parteien erwähnst...“, fragte Hahli und vor ihrem Auge tauchte Kotu auf, die doch unbedingt von den Verbänden wissen wollte. „Welche gibt’s eigentlich schon?“

„Na ja, da haben wir zu einem die VeMeNu, den Verband Metru Nui. Sollen ganz gut sein, setzen sich für den Frieden ein und die Fortsetzung von Likhans Politik. Dann gibt es die PTW, die Partei der Technik und der Wirtschaft. Industrielle, wenn du mich fragst, niemand andere als Matoraner, die hart arbeiten und den ganzen Tag Rüstungen schmieden... War klar, dass sie in Le-Metru beliebt sind, einige Tas finden die jedoch auch nicht schlecht. Außerdem existiert noch die WAHI-Partei, die sich als Verfechter des Wahiismus ausgeben. Sie fordern die Stärkung der Metrus, dass jedes seine eigenen Oberhäupter bekommt und wir nicht abhängig sind von einem Einzelherrscher. Verrückt, nicht?“ Hahli zuckte die Schultern. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.

„Zumindest kommt das System gut an, wenn so viele sich in Parteien organisieren.“

„Du sagst es!“, antwortete Vhisola, als beide in das Teststrecken-Gebäude eintraten und ein Geräusch, so laut wie eine Explosion durch den Tunnel hallte. Hahli und Vhisola mussten sich die Ohren zu halten.

„WAS DENN HIER LOS!“, hörte Hahli Vhsiola schreien, doch sie verstand nicht ein einziges Wort, denn kurz darauf sauste etwas so schnell wie ein Kikanalo an ihnen vorbei. Hahli hatte nur einen verwischten, grünen Schatten erkennen können. Und dann plötzlich – es war wieder vorbei. Stille, ruhiger als am offenen Meer trat ein.

„Hallo?“, rief Vhisola und ihre Stimme hallte in dem gewaltigen Tunnel wieder. Und nur kurz darauf, ein Dröhnen und wenige Sekunden später kam ein Gleiter auf die beiden Ga-Matoraner zugeflogen.

„Besuch!“, hallte eine Stimme durch den Tunnel und erst jetzt erkannte Hahli, dass ein Le-Matoraner den Gleiter steuerte. Elegant landete er vor den beiden und war mit einem Hüpfer direkt vor Vhisolas Kanohi gelandet.

„Was verschlägt denn zwei Ga-Matoraner in die Stadt der Technologien?“ Der Matoraner kam mit jedem Wort der Maske Vhsiolas ein Stück näher und sein Grinsen wurde immer breiter. Vhisola schubste ihn genervt zur Seite und nahm ihre Steinplatte aus ihrer Tasche.

„Ich deute deine Geste einfach mal so, dass du noch nie vor einer Oberhauptskandidatin gestanden hast“, gaffte sie, als der Le-Matoraner ihr erneut zu nahe kam. Hahli musste sich Mühe geben, ihr Kichern zu verbergen, doch auch der Matoraner schien von Vhisolas Aussage sehr angetan zu sein.

„Ach ja!“, sagte er und wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. „Und du wohl noch nie vor einem Oberhauptskandidaten! Piruk mein Name!“ Er reichte ihr die Hand und Vhisola schlug augenrollend zu. „Genau dich habe ich gesucht, Piruk. Ich bin Vhisola, falls du mich nicht schon kennen solltest. Ich habe den Auftrag, deine Ziele zu dokumentieren, wenn du sie mir also bitte nennen würdest?“

Piruk setzte ein breites Grinsen auf und schaute Vhsiola verlegen an, als wolle er sie mit irgendetwas begeistern. „Ich, Piruk, Leiter der Le-Metru-Teststrecken, Träger des Gukko-Ordens und Kandidat zur Oberhauptswahl“ - Vhisola hatte all seine Titel aufgeschrieben, schenkte ihm jedoch jedes Mal einen unglaubwürdigen Blick zu - „setze mich verstärkt für die Industrialisierung aller Metrus ein! Metru Nui braucht Fabriken, Schmieden, Teststrecken nicht nur in Le-Metru. In allen Städten soll die Wirtschaft angekurbelt werden und die Mehrheit der Matoraner in Fabriken arbeiten!“ kaum hatte Piruk zu Ende gesprochen, lächelte er noch breiter, dass Hahli das Gefühl hatte, seine Kanohi würde gleich aufreißen.

„Danke“, sagte Vhsiola abwesend und wollte schon ihre Steinplatte in ihre Tasche tun, da dröhnte es erneut durch die Teststrecken. Die beiden Ga-Matoraner hielten sich erneut die Ohren zu. Aus dem Augenwinkel sah Hahli, wie Piruk seinen Blick auf einen zweiten Gleiter gerichtet hat, der in Windeseile an ihm vorbei rauschte. Der Le-Matoraner winkte dem Gleiter zu und machte dabei seltsame Bewegungen, als wolle er ihm irgendetwas mitteilen. Nur kurze Zeit später war ein zweiter Gleiter neben Piruk und Hahli und Vhisola gelandet, und erneut hüpfte ein in grün gerüsteter Matoraner vor Vhisolas Füße.

„Tamaru ist gelandet!“ Der Matoraner namens Tamaru sprang in die Luft, machte eine Drehbewegung und klatschte in Piruks ausgestreckte Hand. Vhisola verfolgte das Geschehen mit offenen Mund, und ihre Augen verrieten Hahli, dass sie nur so schnell wie möglich hier weg wollte.

„Piruk, meine Birkenkrone. Wer sind denn die beiden reizenden Ga-Matoraner?“, schmeichelte Tamaru und grinste ähnlich breit wie Piruk. Vhsiola fühlte sich jedoch kein bisschen angetan, Hahli sah, wie sie ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden klopfte und in Richtung Tür schaute.

„Tamaru, du Kastanienbeule, das ist Vhisola, eine der vier Oberhauptskandiadten neben mir, Dume und Nuhrii.“ Plötzlich verging Tamaru jedoch sein Lächeln und ein schnippischer Blick durchkreuzte die genervte Vhisola.

„Sieh an, betreiben wir Wahlkampf?“, fragte er hochnäsig und stolzierte auf Zehenspitzen auf sie zu.

„Ich setze mich für einen freien Handel zwischen den Metrus ein und für friedliche Beziehungen mit unseren Nachbarinseln ein.“ Tamaru hob die Hand vor dem Mund und tat so, als ob er gähnte, was Vhisola dazu veranlagte, ihre Arme zu verschränken und einen zornigen Gesichtsausdruck aufzusetzen.

„Das ist nichts, im Vergleich zu Turaga Dume.“

Hahli lief rot an. Ihr Magen knurrte wie ein Eisenwolf... Sie hatte Vhisola nichts von Dume erzählt... Sie hatte sie nicht vorgewarnt... und jetzt... jetzt wurde sie eiskalt konfrontiert... jetzt musste auch sie erkennen, dass Dume einen Schritt voraus war.

„Dume?!“, fauchte Vhisola und ging einen Schritt auf Tamaru zu.

„Oh ja, Dume verspricht uns die grenzenlose Freiheit! Mit ihm dürfen wir alles tun, alles, was wir mögen und lieb haben. Stell dir vor, wir werden dann ohne Grenzkontrollen in die Metrus reisen und ein paar Po-Matoranern was von neuen Technologien erzählen!“ Tamaru und Piruk klatschten erneut in ihre Hände ein... Doch Vhisola hielt das nicht mehr aus, sie war aus der Teststrecke gestampft und hatte die Tür mit einer solchen Wucht aufgeknallt, dass Tamaru fast umfiel.

„Vhisola, warte!“, schrie Hahli und rannte ebenfalls aus der Teststrecke. Sie ignorierte dabei das hämische Gackern der Le-Matoraner. Vhisola stampfte wütend durch die Straßen Le-Metrus, ihr Blick war voller Wut gezeichnet.

„Jetzt warte doch! VHISOLA!“, schrie Hahli, doch ihre Freundin nahm keine Notiz davon. Erst als Hahli sie eingeholt hatte, drehte sich die Ga-Matoranerin um und schaute Hahli ins Gesicht: Ihre Augen waren wässrig und funkelten förmlich, sie selbst zitterte fast schon am ganzen Körper.

„Vhisola, jetzt mach dir nichts draus!“

„DOCH!“, entgegnete Vhisola aufgebracht und so laut, dass einige Le-Matoraner zu den beiden hin überschauten.

„Gut, aber dann musst du eingestehen, dass es allein deine Schuld ist!“ Vhisola verschränkte die Arme und schenkte Hahli immer noch einen zornigen Blick.

„Versteh doch, mit deiner Umgangsart machst du dich nicht gerade sehr beliebt. Ich dachte, du als schlaue Ga-Matoranerin müsstest doch wissen, wie man an das Volk rankommt.“

Zum ersten Mal sah Hahli, wie Vhsiolas wütender Blick sich legte, wie sie verdutzt zu Boden schaute, und die Finger verschränkte. Hahli spürte, sie fühlte sich schuldig.

„Du hast recht.“ Mit einem Seufzer setzte sie sich an den Straßenrand und legte den Kopf in die Hände. „Es war nicht klug von mir diesen Tamaru anzugaffen... aber Dume scheint zu einflussreich zu sein...“

„Quatsch mit Riku-Fisch! Vhisola, ich vertraue dir, du weißt viel besser als Dume, was das Volk braucht. Wer ist schon Dume, Leiter von Ta-Metru, Oberhaupt des Rat des Ältesten und ist doch egal, was er noch ist! Du, Vhisola! Du warst Likhans Stellvertreterin und Likhan wusste genau, was er von dir hält. Wer würde besser geeignet sein als neues Oberhaupt, als jemand wie du, der Likhan so nah wie niemand anderes war?“

Urplötzlich sprang Vhisola auf, ihre Miene war ernst und entschlossen. Sie nahm die Hände in die Hüfte und schaute stolz in Richtung der Le-Metru-Teststrecke.

„Hahli, danke, dass du mit das gesagt hast. Ja, ich war Likhans Stellvertreterin. Und ich werde allen beweisen, dass ich seine Werte vertrete und genauso handeln werde, wie er! Auf geht’s Hahli, wir müssen die RaHi-Partei besuchen! Wir haben eine Wahl zu gewinnen!“

* * *

Hahli und Vhisola saßen in einem kreisrunden Raum – obwohl Vhisola immer wieder aufgestanden ist und im Raum hin und her gelaufen ist – gefolgt von den Blicken vier Matoraner, je einem aus Le-, Ta-, Po-, und Ga-Metru. Sie waren die Mitglieder der RaHi-Partei, ein Verband, der sich – wie Hahli und Vhisola herausgefunden haben – für die Rechte der Rahi auf Metru Nui einsetzte. Hahli hatte Vhisola dabei erwischt, wie sie kurz die Augen verdreht hatte und schon losgehen wollte, weil sie die vier Matoraner gar nicht erst ernst nahm. Als Hahi dann jedoch leise das Wort „Likhan“ mit ihren Lippen formte, begann Vhisola einen langen Vortrag über ihre Ziele, über sich selbst und über Dume.

„Und deshalb sage ich euch, Dumes Politik ist lauter Gerede! Vielleicht hat er zu lange heißen Dampf eingeatmet. Nehmen wir beispielsweise an, er setzt die freien Grenzen durch: Damit zerstören wir die kulturellen Einrichtungen jedes Metrus, unsere Traditionen. Stellt euch vor, ein paar wahnsinnige Le-Matoraner bauen Teststrecken in euren friedlichen Wüsten, Meeren und Vulkangegenden! Die Rituale sterben aus! Wollt ihr das?“

Die vier Matoraner regten keinen Muskel, gespannt schauten sie nur auf Vhisola.

„Wenn wir wirklich Freiheit zwischen den Metrus und Städten wollen, müssen wir die Pläne etwas verfeinern. Wir brauchen eine Handelszone, freien, uneingeschränkten Handel und Austausch zwischen den Metrus! Das ist es, was wir brauchen.“ Immer noch bewegte sich keiner der RaHi-Mitglieder, wie angewurzelt saßen sie auf ihren Stühlen.

„Gut. Dazu brauchen wir gute Beziehungen zu unseren Nachbarinseln Odina und Daxia. Beides sind fortgeschrittene Völker, wir müssen friedlich mit ihnen in den Dialog kommen und ebenfalls Handelsbeziehungen gründen.“ Auf einmal starrten sich die vier Matoraner alle gegenseitig an, als könnten sie ihre Gedanken untereinander austauschen. Dann stand plötzlich der Ta-Matoraner auf.

„Nun, wie setzt du dich aber für die Erhaltung der Rahi-Welt ein?“, fragte er mit seiner abwesenden, hohen Stimme. Vhisola überlegte indes kurz und setzte dann wieder an: „Wie Likhan sollte ich auf alle Wünsche jedes einzelnen achten. Und wenn jemand Rechte für Rahi fordert, dann sollte ich mir darüber Gedanken machen. Natürlich sind Rahi ein wichtiger Bestandteil einer jeden Insel, des ganzen Universums. Einige halten sie als Haustiere, andere geben uns wichtige Rohstoffe und genau wie wir haben sie Gefühle... und das bedeutet, Rahi-Mord ist genauso, als wenn man Matoraner tötet.“

Der Ta-Matoraner lächelte matt und nickte seinen drei Mitstreitern zu, woraufhin sich auch der Po-Matoraner erhob. „Eine sehr gute Vorstellung von Metru Nuis Zukunft. Wenn du Oberhaupt wärst, wären wir stolz, mit dir zusammenarbeiten zu können, Vhisola.“

Kaum hatte er zu Ende gesprochen, grinste Vhisola zufrieden und auch Hahli war froh, dass es ihr gelang, Stimmen zu ergattern. Ihr ganze Körper fühlte sich glücklich an, es war, als ob jeder ihre Zellen sich mit Vhisola mitfreute. Nur kurz darauf nahm Vhsiola ihre Steinplatte aus der Tasche und wollte die genauen Parteiziele notieren, da spürte Hahli schon wie eine Hand ihren Arm packte und sie an Vhisola und den Parteimitgliedern vorbeiführte, eine Treppe entlang ins zweite Geschoss des Gebäudes. Und dann betrat Hahli einen komplett leeren Raum, in dem nichts anderes stand, als ein einziges, staubiges Teleskop, wie sie es aus Ga-Metru kannte. Als dann die Tür mit einem leisen Quietschen zufiel, fragte sich Hahli erst jetzt, wer sie in dieses Zimmer begleitet hatte: Es war die Ga-Matoranerin der RaHi-Partei.

„Oh, hallo“, sagte Hahli matt und versuchte zu lächeln. Die Ga-Matoranerin konnte ihr zur Antwort nur ein leises Kichern schenken.

„Und?“, fragte Hahli dann und versuchte ein Gespräch zu beginnen, denn die Situation wurde ihr langsam peinlich. „Wie gefällt dir Vhisola?“ Erneut drang ein Kichern durch den Raum, bis die Matoranerin anfing zu sprechen: „Ziemlich gut, ja.“ Ihre Stimme passte überhaupt nicht zu ihrem breiten Körperbau, sie war viel zu hoch, die Matoranerin piepste fast schon.

„Und was genau wollen wir jetzt hier oben?“, fragte Hahli, die sich dadurch noch unangenehmer fühlte. Die Ga-Matoranerin zeigte jedoch nur auf das alte Teleskop, was in der Nähe eines Fensters gelegen ist. „Du interessierst dich also für Astronomie, nicht? Wie die meisten Ga-“ Ehe Hahli zu Ende sprach, hatte das RaHi-Mitglied sie wieder am Arm gepackt und sie zum Teleskop gezogen.

„Warte, wie heißt du eigentlich?“, fragte Hahli dann, als die Matoranerin den Staub wegwischte und an ein paar Rädchen drehte.

„Macku“, antwortete sie mit ihrer piepsigen Stimme und schob Hahli das Teleskop vor die Kanohi. Hahli überlegte erst gar nicht, wollte keine weiteren Fragen stellen. Sie schaute einfach durch die kleine Linse, in der Hoffnung, schnell wieder bei Vhisola und fern von Macku zu sein. Zuerst bot sich Hahli nichts anderes als düsterer Himmel, kein einziger Stern, kein Lichtfleck war zu sehen und so langsam fragte sie sich, was das alles eigentlich sollte.

„Nun“, sagte Hahli und versuchte dabei so höflich wie möglich zu klingen und gar nicht erst angenervt. „Was wolltest du mir denn zeigen, Ma-“

„Geduld, Geduld!“, piepste sie und kicherte erneut. Hahli musste tief einatmen, um das noch auszuhalten, ihr Rücken schmerzte so langsam von der gebeugten Haltung. Doch wie viel Zeit auch verging, Hahli sah nur den rabenschwarzen Himmel, nicht mal ein Flackern oder Aufleuchten.

„Macku, bitte“, gaffte sie dann und wollte ihr Auge schon vom Teleskop nehmen, als die Ga-Matoranerin winselnd aus dem Fenster zeigte und Hahli wieder ins Teleskop schaute. Im Hintergrund hörte sie Macku in die Hände klatschen und wild durch den Raum hüpfen. Hahli wusste nicht, wie sie das alles aushielt, denn der Himmel war immer noch schwarz... bis...

„Da!“, schrie Hahli plötzlich, als hätte sie einen Goldschatz entdeckt. Gerade, in diesem Moment – war ein Stern aufgetaucht, blau wie das Meer und strahlte fast schon so hell wie die große, rote Sonne.

„Macku, was ist das?“, fragte Hahli aufgeregt und konnte ihren Blick nicht von dem Stern lösen... Er war so anziehend, so schön... Hahli hätte stundenlang allein diesen Stern beobachten können und alles andere vergessen können...

„Das“, begann Macku und Hahli huschte vom Teleskop zu Macku hinüber, dessen Augen sich ausgeweitet haben, als erwarteten sie ein großes Wunder, „ist ein Toa-Stern. Um genauer zu sein, ein Boten-Stern. Sein Erscheinen zeigt die baldige Ankunft eines neuen Toa an. Und wie es scheint, wird dieser aus Ga-Metru kommen.“

Stille beherrschte für sie nächsten Minuten den Raum. Hahli hatte noch einmal einen Blick auf den Stern geworfen, doch etwas war anders...

„Er ist weg!“

Macku gluckste kurz. „Oh ja, er ist weiter gereist, damit Matoraner ganz Metru Nuis von der frohen Botschaft erfahren können.“ Hahli konnte ihren Blick immer noch nicht vom Teleskop lösen. Der Stern war zwar weg, dafür strömte ihr ein Gedanke nach dem anderen durch den Kopf. Ein neuer Toa, hier auf Metru Nui und zum ersten Mal seit gut zehn Jahren. Und das ausgerechnet eine Wasser-Toa, jetzt zu Zeiten des Wahlkampfs. Und... wäre es nicht möglich, wenn Vhisola diese Toa werden würde? Hat Macku vielleicht deshalb Hahli den Toa-Stern ausgerechnet jetzt gezeigt? Weil sie schon wusste, dass Vhisola die neue Toa Metru Nuis werden würde? Und wenn dies so wäre... dann würde Metru Nui nicht nur ein neues Oberhaupt haben, sondern auch einen Beschützer, eine durchschlagskräftige Person, wie es Dume nur im Ansatz hätte sein können...

Ohne auf die winselnde Macku zu achten, drehte Hahli das Teleskop hin und her und streifte den Himmel entlang, als erhoffe sie, den Toa-Stern wiederzufinden... bei jedem Male, wenn ein kleiner, unauffälliger Punkt die Schwärze des Himmels durchbrach, machte Hahlis Herz einen gewaltigen Hüpfer... doch auch jedes Mal musste sich Enttäuschung in ihrem Körper ausbreiten... Es waren nur kleine, unbedeutende Sterne, die kaum so grell und schön leuchteten wie ein Toa-Stern.

„Keiner weiß, wo der Stern auftaucht“, es war wieder Macku, die bemerkte, wie Hahli verzweifelt den Himmel absuchte. Doch die Matoranerin bemerkte ihre Aussage nicht und schaute weiter durch die kleine Linse... Und plötzlich, da kam ihr ein weiterer Gedanke durch den Kopf gestoßen... Hätte nicht sie die nächste Toa sein können? Hahli schüttelte wild den Kopf und versuchte, sich mit Mackus merkwürdigem Summen abzulenken. Sie hatte schon einmal gesagt, sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie eine Toa sein wird. Sie hat dafür nicht mal die Fähigkeiten, sie war kaum durchschlagsfähig und ehrlich gesagt wusste sie nicht mal, was sie als Toa anfangen sollte... oder wohin sie mit dieser großen Verantwortung und Bürde hingehen sollte. Andererseits... ihre Ähnlichkeit zu Tuyet, Likhans Gespräch mit ihr und jetzt Macku, die ausgerechnet ihr den Toa-Stern zeigt... machte das nicht alles Sinn? War sie nicht doch die nächste Toa Metru Nuis? Und sollte sie sich nicht doch mit ihrem Schicksal zufrieden geben?

„NEIN!“, schrie Hahli plötzlich, schubste das Teleskop zu Seite und rannte aus dem Zimmer, wie eine Gejagte. Ihr war dabei egal, dass Macku ihr einen merkwürdigen Blick schenkte und sie im Treppenhaus fast gestolpert wäre... Sie wollte nur noch raus hier...

Kapitel 9: Die richtige Entscheidung[]

Hahli konnte schon nicht mehr durch die Straßen Metru Nuis laufen, ohne dass an jeder Hütte, an jedem Baum und jedem Mast eine große Steinplatte hing. In fast schon unnormal riesigen Buchstaben las sie immer wieder die Worte „Wählt Wahiismus“, „Für Dume! Für die Zukunft!“, „Weil auch Rahis eine Seele haben“ und abertausende von anderen Sprüchen. Hier und da huschte auch eine liebevoll mit Wassersteinen und Muscheln verzierte Steinplatte hervor, auf der ganz akkurat eine Kanohi Komau eingraviert war – und darunter der Spruch „Vhisola – Für Freiheit“. Jedes Mal konnte sich Hahli ein breites Grinsen nicht verkneifen, wenn sie Vhisolas Steinplatte in den Straßen der Insel hängen sah: Schließlich hatte sie ganze Nächte im Kolosseum verbracht, saß in ihrer Kammer und bastelte an ihren Wahlplatten. Hahli erinnert sich noch genau, wie sie, Kotu und Vhisola vor drei Tagen zum Ga-Metru-Strand gingen. Hahli und Kotu waren voller Vorfreude Kanokadisk-Werfen zu spielen, dabei hatte Vhisola sie aufgefordert mit ihr Wassersteine und Muscheln zu sammeln.

Ja, der Wahlkampf auf Metru Nui war voll im Gange. Und nicht nur bei Vhisola, immer häufiger gingen Matoraner auf den Straßen und warben für ihre Parteien und Kandidaten. „Nur mit der VeMeNu bleibt Metru Nui ein Paradies!“ - „Die PTW braucht eine Stimme – für die Wirtschaft!“ - „Flink im Maskenschmieden und Regieren , Nuhrii zum Oberhaupt!“ All dies hatte sich Hahli anhören müssen, wenn sie zur Arbeit ins Kolosseum ging. Und irgendwie – sie fand es ziemlich belustigend, wie aufgebracht die Matoraner um Stimmen ringten, fast schon verzweifelt... Hahli wusste es, das Gefühl konnte sie einfach nicht loslassen, dass Vhisola gewinnen wird... Und je mehr sie über ihre guten Eigenschaften dachte, desto entschlossener war Hahli – Vhisola packt es.

Ziemlich oft begegnete Hahli einer Dume-Wahlplatte – und auf jeder waren seine Versprechen eingraviert, in Buchstaben, die so groß waren, dass selbst ein halbblinder Polyp sie hätte erkennen können. Hahli dachte nicht viel über Dume – vereinzelt war er ihr im Kolosseum begegnet, schnippisch wie immer – sein düsterer Blick hatte sich bis heute nicht geändert...

Hahli saß mal wieder hoch oben im Nordturm, umringt von einem Berg von Steinplatten. Sie kritzelte gerade lauter unsinniges Zeug, als ganz plötzlich – Wumm! Hahli schreckte so sehr auf, dass sie den ganzen Stapel an Steinplatten umkippte und sie mit einem lauten Krachgeräusch zu Boden fielen.

„Oh, tut mir leid, Hahli!“

Erst jetzt lugte Hahli hinüber zur Tür und erkannte Vhisola, die gerade eingetreten war und die Tür zur Seite gestoßen hatte – wahrscheinlich aus Frust von der unendlichen Treppe.

„Macht nichts!“, sagte Hahli mit einem Augenzwinkern, ehe ihre Freundin auf sie zu gerannt war.

„Hahli, eigentlich wollte ich dir nur etwas wegen -“

„- der Wahl morgen sagen“, beendete Hahli den Satz für Vhisola. In letzter Zeit war es nämlich nicht möglich gewesen, auch nur ein anderes Thema mit Vhisola anzusprechen.

„Richtig. Es ist bloß so... ich meine... nun...“ Hahli hatte noch nie mitbekommen, dass Vhisola sich so nervös verhält. Für normal war sie eine ausgezeichnete Rednerin, aber diesmal stockte sie. „Ach, es ist nur so... der morgige Tag kann einfach alles verändern. Hier und jetzt sind wir noch Freunde – aber morgen kann ich schon das neue Oberhaupt sein... es ist... so ungewohnt. Die einfache Matoranerin aus dem Volk... plötzlich ganz oben... und all diese Verantwortung... ich meine...“

„Hey!“, unterbrach sie plötzlich Hahli und grinste sie breit an. „Vhsiola, du klingst ja fast wie ich, das bin ich von dir ja gar nicht gewöhnt! Mach' dir keine Sorgen – du bist spitze, einsame klasse. Und was wird sich schon großartig ändern?“ Hahli lächelte sie weiterhin matt an, aber Vhisola schaute nur bedrückt zu Boden. „Vhisola, vertraue mir! Alles wird gut, glaub's mir! Wenn du erst mal Oberhaupt bist, geht’s mit Metru Nui steil nach oben. Ich weiß, du wirst dann noch mehr zu tun haben, als du jetzt schon zu tun hast, aber – Freundschaft ist die einzige Rüstung, die ewig hält... hat das nicht Likhan selbst gesagt?“

Für einen kurzen Moment herrschte Stille im Raum und nur ein Seufzer Vhisolas hallte durch den Nordturm... doch dann... Vhisola fiel Hahli blitzartig in die Arme und drückte sie so fest wie es nur geht an sich. „Alles wird gut!“, flüsterte Hahli matt und tätschelte ihr die Schultern, ehe sie wieder in Vhisolas Maske blickte: Wo gerade noch zwei triefende Augen waren, ist jetzt grenzenlose Entschlossenheit zu sehen, ein Blick, der Hahli Vhisolas ganzen Willen verriet.

„Danke, Hahli... wie oft hast du mich schon in dieser Zeit getröstet...“

„Ach, das machen Freunde doch gerne!“, unterbrach sie Hahli und beide mussten leicht grinsen.

„Jedenfalls... morgen gilt es ein neues Oberhaupt zu wählen...“

„Und wenn der Sieger am Ende nicht Vhsiola heißt, ist das Leben ein für allemal ungerecht! Dann soll mich der Kofu-Jaga beim Angeln beißen!“

* * *

Meterlange Schlangen beherrschten den Platz um das Kolosseum herum und überall gingen Matoraner aus allen Metrus, in den verschiedensten Rüstungen durch die Hallen des Kolosseums... und so verschieden sie auch waren, sie alle waren nur wegen dem einen Grund hier: Die Wahlen zum Metru-Nui-Parlament und zum neuen Oberhaupt standen an.

Als Hahli heute morgen aus ihrem Burnak-Fell-Bett schlüpfte, waren es nicht die Straheln der großen, roten Sonne oder die Gukkos, die sie aufweckten – es war viel mehr der Gedanke an die heutigen Wahlen, die Hahli aus ihrem Schlaf brachten. Ihr war etwas mulmig zu Mute, denn erneut hatte sie einen äußerst merkwürdigen Traum hinter sich... da waren Dume und Vhisola... und Kopeke, der einen merkwürdigen schwarzen Umhang trug... wenn es denn einer war, es sah mehr aus wie pure Schatten, die sich um seinen Körper schlängelten. Und da war auch Hahli, wieder eine goldene Maske in den Händen haltend... und seltsam, wie Dume ihr die Kanohi aus der Hand riss und Kopeke den Mantel von den Schultern stahl... Und dann war Hahli schon aufgewacht...

Es waren seit dem schon viele Stunden vergangen, in denen sie minutenlang in den ewigen Schlangen dastand und mühselig wartete, bis sie endlich ins Kolosseum zum Wählen durfte. Um sie herum schnatterten alle Matoraner wild um sich herum, berieten sich, wen sie wählen sollten, redeten über die Kandidaten und bekannten sich zu den Parteien.

„Mein Favorit ist Dume – unangefochten“, hatte ein Po-Matoraner stolz gesagt.

„Oh ja, Dume ist einfach nur... der Richtige!“, ein Ta-Matoraner stimmte ihm zu und Hahlis Miene hatte sich indes zu einem griesgrämigen Blick gewandelt. Sie konnte es einfach nicht ausstehen, wenn man so viel über Dume redete und Vhisola einfach so außen vor ließ, obwohl sie doch das klar bessere Oberhaupt wäre.

„Also, wenn du mich fragst, ich wähle Vhisola!“

„Na also!“, hatte Hahli leise vor sich hin gemurmelt und Erleichterung breitete sich um ihr Herz aus – auch wenn sie immer noch nicht anzweifelt, dass Vhisola die Wahl eindeutig gewinnen wird. Es passte einfach niemand anderes auf den Thron Metru Nuis, Dume, Piruk oder Nuhrii – sie waren für Hahli einfach unvorstellbar, dass sie Oberhäupter werden würden.

Minuten später stand Hahli endlich im Kolosseum, wo sie in eine der vielen Kammern ging, die Tür hinter sich schloss und vor sich einen Tisch sah – auf ihm waren fünf Behälter und gleich daneben lag ein Berg Steinplatten. Hahli ging näher auf den Tisch zu und sah nun, dass die fünf Behälter beschriftet waren – der mittlere hatte die Aufschrift „Stein hier einwerfen“, links von ihm waren Behälter, wo „Nuhrii“ und „Vhisola“ eingraviert waren und rechts befanden sich die Kanister mit den Namen „Dume“ und „Piruk“. Darüber hing eine weitere Steinplatte.

„Jeweiligen Toa-Stein aus einem Behälter nehmen und in den mittleren einwerfen – dann bitte auf Steinplatte jeweilige Partei ankreuzen und rechts in den Kanister einwerfen.“ Hahli drehte sich um und sah den grauen, riesigen Kanister, den sie vorhin übersehen hatte.

„Na dann!“, sagte Hahli schließlich, holte tief Luft und griff in den Behälter mit der Aufschrift „Vhisola“. Kaum hatte sie ihre Hand rein gestreckt, spürte sie die glatte Oberfläche eines Steins... und kaum hatte sie ihn berührt, spürte sie kalte Meeresluft... und irgendwie kam es ihr vor, als würden Gukkos gleich neben an ihre Lieder singen... und das Meer rauschen...

Hahli zog den Stein heraus und sah nun deutlich – es war ein Elementarstein. Hell und blau leuchtend lag er in Hahlis Hand, dass sie fast schon geblendet wurde und die Augen zukniff.

„Für Metru Nui“, murmelte Hahli dann, den Stein fest umschlossen... Ihr Herz pochte und sie wusste nicht, wieso... ihr ganzer Körper zitterte und sie fühlte die Kälte in ihrer Bauchgegend... Schließlich war sie gerade dabei, die Zukunft Metru Nuis zu gestalten... wenn sie jetzt loslässt, ist das Schicksal der Insel besiegelt... und Hahli ist sich bewusst, die Zukunft Metru Nuis liegt Vhisola zu Füßen...

„Für Vhisola!“, sagte Hahli entschlossen und in Sekundenschnelle rauschte der blaue Elementarstein in den mittleren Behälter – und ganz plötzlich – nichts leuchtete mehr, kein Meeresrauschen und kein Gukkogesang hallte nun mehr durch Hahlis Kopf – der Stein war im Kanister verschwunden – und Hahlis Entscheidung gefallen.

Flüchtig nahm sie sich noch eine der vielen Steinplatten und überflog sie schnell.

Du hast eine Stimme:

° VeMeNu – Veband Metru Nui

° PTF – Partei der Technik und des Fortschritts

° WAHI – Wahiismus-Partei

° RaHi – Rahi-Hilfsverband

Hahli zuckte mit den Schultern. Für die Parteien hatte sie sich nie wirklich interessiert und im Grunde genommen kannte sie nur die RaHi-Partei. Und zugegeben, so unsympathisch waren sie ihr nun auch nicht. Hahli kreuzte einfach die RaHi an, ging zum Kanister, wo ihre Steinplatte mit einem dumpfen Geräusch verschwand und trat wieder aus dem Zimmer, wo eine Schar aufgeregter Matoraner stand und nervös vor sich hin plauderte. Hahli hatte es bereits hinter sich – und sie war sich sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

* * *

Für den Rest des Tages war Hahli im Kolosseum geblieben, wo sie sich wie gewöhnlich durch ein Meer aus bunten Rüstungen und Kanohis schlagen musste und sie immer wieder von aufgeregten Matoranern und schnatternden Turaga angerempelt wurde.

Eigentlich wollte Hahli Vhisola aufsuchen, doch je mehr sie durch die Kolosseumsgänge streifte, gab sie die Hoffnung auf, sie zu suchen und als sie schon zum zweiten Mal im Gang mit den Toa-Statuen angekommen war, gab sie endgültig auf. Vhisola kann doch unmöglich nicht zur Wahl erschienen sein, dieser Tag war doch nur eine weitere, wenn nicht die beste Möglichkeit auf Stimmfang zu gehen – selbst Nuhrii und Piruk hatte Hahli schon gesehen, wie sie fast schon verzweifelt versuchten einige wenige Matoraner für sich zu gewinnen – dabei machten sie einigen die Entscheidung jedoch nicht einfacher. Wo auch immer Piruk oder Nuhrii auftauchten, hinterließen sie ratlose Gesichter.

„Hahli!“, hallte es plötzlich durch den Kolosseumsgang. Die Matoranerin drehte sich um – und von einem Augenblick zum nächsten stand ihre Freundin Kotu vor ihrer Kanohi.

„Oh, hallo, Kotu“, sagte Hahli und mied dabei ihren Blick. Sie hier anzutreffen, stimmte sie schon etwas mulmig... denn Hahli hatte noch genau in Erinnerung, wie Kotu sich von Kopeke und Dume hatte manipulieren lassen... wie sie sich überzeugen ließ und dabei Vhsiola, ihre Freundin, im Stich lässt...

„Hast du eigentlich Vhi-“, begann Hahli, doch sie sprach nicht weiter – auf keinen Fall wollte sie mit Kotu über die Wahl sprechen, sie würde es nicht aushalten.

„Lass und doch zum Kolosseumshafen gehen“, schlug Kotu vor und Hahli stimmte zu. In den Gängen wurde es immer voller und mittlerweile gingen alle so dicht bei einander, dass man sich schon durch die Gänge quetschen musste.

Der Kolosseumshafen war mit dem in Ga-Metru nicht zu vergleichen – fast schon winzig wirkte dieser im Vergleich zu Hahlis Heimat und nur wenige Boote schwankten im stillen Wasser hin und her... hoch oben am Horizont war der Ursprung eines breiten Flusses, dem Vakama-Strom... es war die einzige Möglichkeit von dieser Insel zu fliehen und durch das Protodermis-Meer zu Metru Nuis Nachbarinseln zu gelangen. Hahli und Kotu hatten über alles geredet, nur nicht über die Wahl – und jedes Mal wenn Kotu dazu etwas andeuten wollte, schweifte Hahli schnell ab... in der Hoffnung, dass Kotu keinen Verdacht schöpft... aber sie wird schon sehen, sie hat sich geirrt mit ihrer Entscheidung für Dume... denn Vhisola ist die einzige an dem heutigen Abend, die sich Oberhaupt nennen wird...

Kapitel 10: Das neue Oberhaupt[]

Die große, rote Sonne war gerade hinter den Bergen Po-Metrus verschwunden, die man vom Kolosseum aus noch erkennen konnte. Der Himmel war nun ein dunkler Schleier, der sich über ganz Metru Nui hinwegsetzte und hier und da funkelten Sterne auf, bis der gesamte Himmel übersät war mit glühenden, leuchtenden Punkten. Die Nacht drang auf Metru Nui ein und alles war ummantelt in Dunkelheit... nur die Lichter des Kolosseums ließen es wirken, wie ein ewiger Hoffnungsschimmer zwischen der Dunkelheit.

Immer noch scharten sich die Matoraner durch die Kolosseumsgänge, seltener traf man jetzt aber noch auf aufgeregte Gesichter, viel mehr saß man draußen am Hafen und plauderte entspannt oder sah sich das gewaltige Kolosseumskonstrukt von innen an.

Hahli saß gerade auf der Tribüne und starrte auf das matoraner-leere Spielfeld... Es dauerte nicht mehr lange... dann wird die Entscheidung verkündet... Die Entscheidung der Matoraner und Turaga, des Volkes... wer das neue Oberhaupt werden soll und wer sie anführen soll, wer die Nachfolge Likhans antreten wird.

Von Minute zu Minute füllte sich die Arena, waren gerade noch tausende von leeren Sitzplätzen zu sehen, strömten die Matoraner aus dem Innenraum des Kolosseums, nahmen Platz und füllten die Tribüne, wie die Sterne den Himmel.

Hahli hatte Vhisola in der Zwischenzeit nicht gefunden, Kotu war indes zu einer anderen Gruppe von Matoranern gegangen, sodass Hahli nichts anderes übrig blieb, als alleine im Kolosseum zu sitzen. Sie genoss den ruhigen Wind, der durch die Arena wehte und schaute noch mal gen Himmel... vielleicht war ja dort wieder der Toa-Stern... aber nichts, kein Stern leuchtete so hell und atemberaubend, wie ein Toa-Stern, nur herkömmliche, weiße Punkte am Himmel... Hahli versuchte inzwischen nicht mehr an die Geschichte mit dem baldigen Toa aus Ga-Metru zu denken – und selbst wenn sie es sein würde, sie hatte immer noch die Möglichkeit abzulehnen, zu sagen, dass sie nicht geeignet sei für diese Aufgabe... Und dann soll es jemand anders tun, jemand anders soll Toa werden, vielleicht sogar...

„Vhisola!“ Hahli winkte ihrer Freundin zu, als sie sah, wie diese gerade einen freien Sitzplatz suchte. Und kaum hatten sich ihre Blicke gekreuzt, rannte Vhisola vor Freude lächelnd auf Hahli zu.

„Vhisola, wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragte Hahli aufgeregt, als beide sich hinsetzten.

„Ich habe ein bisschen mit den Matoranern geplaudert, versucht, noch die ein oder andere Stimme zu ergattern.“

„Und?“, fragte Hahli dann, ihre Augen vor Neugierde ausgeweitet,

„Na ja, bis jetzt schaut's ganz gut aus, die meisten, mit denen ich gesprochen habe, schienen mich gewählt zu haben... obwohl da immer wieder diese arroganten Dume-Wähler waren! Oh Mann, wie hat es Dume geschafft die nur so eitel zu schaffen?“

Hahli musste leise kichern und Vhisola schaute in die immer voller werdende Arena.

„Bald ist es soweit...“, seufzte sie und für die nächsten Momente sprachen beide kein Wort, beide saßen ruhig da, selbst wenn Hahli bemerkte, wie Vhisola immer wieder ungeduldig auf ihren Sitz klopfte und fast schon ungeduldig atmete. Da lenkten sie auch nicht die vielen Matoraner ab, die ihr noch viel Glück wünschten und das Beste für sie hofften.

Sekunden vergingen... Minuten vergingen, Momente, in denen es Hahli immer schwerer fiel, einen freien Sitz im Kolosseum auszumachen... Momente, in denen sie genau wie Vhisola ungeduldig auf das Ergebnis wartete, welches bald verkündet wird... hier... und heute... in nur wenigen Augenblicken wird die Insel sein neues Oberhaupt haben, wenige Augenblicke bis neben Hahli Vhisola Freudentränen in die Augen stoßen werden...

Es war wieder einer dieser Tage, an denen alles so unglaublich langsam verging... Hahli tat Vhisola schon leid, die immer aufgeregter auf ihrem Sitz saß, wenn sie denn überhaupt noch sitzen konnte... sie schien so nervös, dass sie sich kaum halten konnte... Und auf einmal...

Gong.

Ein tosendes Geschnatter beherrschte nun die Arena, wie Hahli es selten erlebt hatte und urplötzlich gingen die Scheinwerferlichter in der Arena aus, alles war umhüllt in ewige Dunkelheit... so konnte Hahli nicht sehen, wie Vhisola vor Schreck fast in die vordere Sitzreihe plumpste.

Gong.

Unmittelbar hat sich das laute Gerede in Schweigen verwandelt, keiner tuschelte nun mehr, alles war ruhig und still.

Gong.

Und dann plötzlich, alle Scheinwerferlichter waren auf einen Balkon gerichtet, der vom größten Kolosseumsturm ausging, dem Arbeitsplatz des neuen Oberhaupts. Wenige Sekunden später erschien ein Le-Matoraner auf dem Balkon und die großen Bildschirme im Kolosseum schalteten sich an, dass überall die dünne Gestalt des Le-Matoraners deutlich zu sehen war. Er grinste breit und schaute kurz in die Menge hinein – ehe er dann -

„Matoraner und Turaga Metru Nuis!“, hallte seine Stimme durch das Kolosseum und auf einmal gingen wieder alle Lichter an und die Menge an Matoranern kreischte, schrie und klatschte – die Ergebnisse standen also fest – und das neue Oberhaupt wurde gewählt.

„Ich bin Kongu und darf euch nun mit Stolz und Würde die Ergebnisse der Oberhaupts- und Parlamentswahl vorstellen!“ Kongu wurde mit jeder Silber lauter und ihm zur Antwort jubelten die Matoraner noch aufgebrachter.

„Wochenlang haben die vier Kandidaten Turaga Dume, Vhisola, Piruk und Nuhrii um euer Vertrauen, um eure Stimme gekämpft. Wochenlang haben die Parteien euch gebeten, sie zu wählen, wochenlang haben die mutigen Staatsmatoraner und die, die es werden wollen, alles daran gesetzt, um den Plan Likhans, dem Ehrenhaften, gerecht zu werden. Und nun will ich euch und die Kandidaten und Parteien nicht mehr länger warten lassen, denn hier sind sie, die Ergebnisse der Wahl!“

Die Jubelrufe der Matoraner waren nun so laut, dass es einer gewaltigen Explosion ähnlich schien. Schnell blickte Hahli zu Vhisola hinüber: Sie schluckte tief und war bleich wie der Schnee Ko-Metrus. „Alles wird gut“, konnte Hahli ihr nur zuflüstern und schenkte ihr ein breites Grinsen. Doch das schien ihr nicht wirklich geholfen zu haben, wie sie jetzt noch auf ihrem Sitz sitzen konnte, war Hahli ein Rätsel. „Bevor wir zur Oberhauptswahl kommen, teile euch erst die Ergebnisse der Parlaments- und Parteienwahl mit“ - Stille, dass man einen Regentropfen hätte laut hören können - „Mit neun Prozent der Stimmen und damit neun Sitze im Parlament – die RaHi!“

Hier und da hallte ein leises Klatschen durch das Kolosseum. „Schade, die kamen mir ziemlich freundlich vor“, murmelte Hahli, doch Vhisola antwortete ihr nicht.

„Elf Prozent und elf Sitze erhalten – die Wahiismus-Partei!“ Diesmal fiel das Klatschen etwas lauter aus. „Zweitstärkste Partei wird – die PTF mit 29 Sitzen und Prozenten!“ Vereinzelt hörte Hahli Jubelgeräusche und „PTF“-Chöre.

„Und damit ganz logisch – die VeMeNu mit 51 Prozent und 51 Sitzen stärkste Partei Metru Nuis!“ Ein lautes Johlen hallte durch die Arena und hier und da sah Hahli, wie Matoraner aufgestanden waren und sich umarmten, wie sie vor Jubel und Freude sprangen und klatschten.

„Und nun die ersehnten Oberhauptswahlergebnisse!“ Kongu legte eine kurze Pause ein und Vhisola sackte in ihren Sitz und fasste sich an die Stirn.

„Hoffen wir das Beste“, sagte sie matt und es war das erste Mal seit Minuten, dass sie wieder sprach.

„Acht Prozent erhielt – Nuhrii!“ Und wieder war es ein eher leises Klatschen, das die Arena beherrschte. Auf den Bildschirmen sah man nun Nuhrii, wie er sich kurz verbeugte und sich dann wieder hinsetzte, bevor wieder Kongu im Blickfeld war.

„Und knapp davor – mit nur neun Prozent – Piruk!“

Als die Bildschirme Piruk zeigten, sah man seinen enttäuschten und grämigen Blick, wie er die Arme verschränkt hatte und wütend zu Boden schaute. Hahli hatte indes gehört, wie Vhisola gluckste – sie konnte ihre Schadenfreude wohl nicht verkneifen.

„Das heißt auch – die Wahl fällt zwischen Dume und Vhisola!“ Kaum hatte Kongu ihren Namen ausgesprochen, da sprang die Ga-Matoranerin auf und ignorierte dabei die vielen „Vhisola!“-Rufe, sie war ganz fixiert auf Kongu, der immer noch breit grinste.

„Ein Kandidat hat 27 Prozent – der andere 56.“

Ein Raunen ging durch die Matoranermenge – das es so deutlich werden würde – das hatten sie wohl nie erwartet... Nur Hahli war sich sicher... gleich würde der Name Vhisolas fallen... gleich wird es amtlich sein... sie wird die neue Oberhäuptin werden.

„Mit 56 Prozent aller Stimmen – ist Metru Nuis Oberhaupt...“ Stille herrschte wie man es nur selten erlebt – nichts, niemand regte sich, niemand sagte etwas, während Vhisola aufgeregt hin und her wippte, Kongu fest im Blick.

Und dann...

„...ist...“

Wieder schienen Stunden zu vergingen, und die Anspannung war greifbar, Hahli fühlte, als ob ein Messer sie stechen würde, es war enorm... wie Vhisola das nur aushalten konnte.

„...Metru Nuis neues Oberhaupt und Nachfolger von Likhan, dem Ehrenhaften ist...“

Stille, gernezenlose Stille. Als dann...

„Turaga Dume!“

Hahli fühlte sich, als ob ein Protodermis-Speer sie durchbohrt hatte. Es war, als ob ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen – und ihre Seele erneut dieses kalte Leinentuch war.

Hatte Kongu das wirklich gerade gesagt? Hatte er wirklich Turaga Dumes Namen durch die Arena gerufen? Hahli musste sich das doch eingebildet haben, sie war sich sicher... gleich würde Kongo wieder schreien, aber diesmal den Namen Vhisolas...

Hahli hatte das Gefühl, sie war in ein tiefes Loch gefallen... sie sah nicht mehr die vielen Matoraner-Mengen, sah Vhisola nicht oder Kongu... Sie wartete, hatte alles ausgeblendet, wartetet nur, bis Kongu „Vhisola!“ schreien würde... doch Minuten vergingen... Augenblicke, in denen Kongu nichts sagte... Momente, in denen sie aus dem tiefen Loch wieder herauskam, in denen die Konturen des Kolosseums immer deutlicher wurden, in denen sie die Scharen an Matoranern wieder klar erkannte. Und dann, dann tauchte Vhisola plötzlich in ihrem Blickfeld auf... und mit jeder Sekunde wurde ihre Mimik offensichtlicher: Der Mund stand ihr offen und es war unübersehbar, dass sie am ganzen Leib zitterte... sie stand einfach nur da... angewurzelt wie ein Baum... mit jedem Moment wurde sie bleicher im Gesicht, ihre Augen waren ausgeweitet... und dann auf einmal sackte sie in ihren Sitz... das durfte doch nicht sein... Dume war nicht Oberhaupt, Hahli wusste es!

Sie schaute in die randvoll gefüllten Tribünen: Matoraner, egal aus welchem Metru, hoben ihre Arme in die Höhe, jubelten und schrien... und plötzlich hörte Hahli es... „Dume! Dume!“ Sie schrien seinen Namen, sein Name hallte durch das Kolosseum und beherrschte die Arena. Es... ist es wirklich wahr?

Hahlis Magen krempelte sich um und sie spürte, wie Angst in ihrem Körper floss. Sie fühlte genau, wie die Furcht in ihrem Bauch immer größer wurde...

„Matoraner und Turaga Metru Nuis!“

Die Worte johlten durch die Arena wie spitze Messer. Mit jeder Silbe wurde Hahli immer kälter... und auf einmal erschien er... oben auf dem Balkon, auf allen Bildschirmen... und die Matoraner antworteten ihm mit Jubelschreien. Dume hob seine Arme in die Höhe und Hahli erkannte seinen Blick... er war nun nicht mehr so schnippisch... viel mehr sah sie die Erleichteung auf seiner Kanohi... ihm war der Mund offen und von Mal zu Mal wurde sein Lächeln immer breiter... es war dieses böse, grimmige und fiese Lächeln, wie Hahli es von ihm gewöhnt war.

„Eine historische Nacht!“, rief er fast schon ruhig und entspannt. „Ihr Matoraner und Turaga... ich werde euch versprechen, dass ihr eure Wahl nicht bereut!“ Seine letzten Worte sprach er so langsam und zäh, als ob nicht wusste, was er sagen wollte... Komisch, dass er mit jedem Wort auch immer grimmiger wurde.

„Vhisola?“

Hahli hatte bemerkt, wie Vhsiola aufgesprungen war und die Arena verließ.

„VHISOLA!“, schrie Hahli ihr nach und folgte ihr, bis beide im Innenraum des Kolosseums verschwunden waren und die tosenden Matoraner immer leiser wurden.

Vhisola lehnte sich gegen eine Steinsäule, die Arme verschränkt und den enttäuschten Blick zu Boden gesenkt, als Hahli sich zu ihr gesellte. Die Matoranerin legte ihren Arm um die Schultern ihrer Freundin.

„Sag mir Hahli, was habe ich falsch gemacht?“, schluchzte sie und wischte sich dabei eine Träne aus ihrem Auge. Doch Hahli hatte nicht geantwortet, sie hatte den Blick ebenfalls zu Boden gesenkt und konnte nicht einen einzigen Gedanken fassen, nicht ein einziges Wort sprechen... nur ein Seufzer blieb ihr zur Antwort.

„Wie konnten alle nur ihr Vertrauen in diesen Dume legen! Es ist...“ Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und fing an zu weinen, dass Hahli sie noch fester in den Arm schloss.

„Vhisola“, murmelte sie dann plötzlich. „Es liegt nicht an dir... aber Metru Nui hat nun mal entschieden... und wer sagt, dass Dume die Insel in den Untergang führt? Jetzt gegen ihn zu hetzen, wäre Likhan nicht würdig...“

Vhisola schniefte laut und hatte auf einmal aufgehört zu weinen. Sie wischte sich noch einmal die Tränen aus den Augen und blickte in den Innenraum des Kolosseums, wo die Matoraner immer noch voller Freude klatschten und schrien.

„Ich kann es ja auch nicht ganz nachvollziehen... aber... Toa Nidhiki hielten auch alle für verrückt und du weißt ja, was aus ihm geworden ist... eine Legende... wie können wir jetzt schon sagen, was in den nächsten Jahren passiert? Und sieh's positiv, es bleibt dir ein wenig Zeit für's Angeln.“

Hahli sah, wie Vhisola matt lächelte. „Vielleicht hast du gar nicht mal so unrecht“, piepste sie und nahm Hahli erneut in den Arm... als plötzlich... Schritte hallten in dem Gang wieder. Als beide sich umdrehten, sahen sie die kleine, in roter Rüstung gekleidete Gestalt Turaga Dumes aus dem dunklen Gang geschritten. Hahlis Herz machte einen Hüpfer.

„Turaga Dume“, murmelte Vhisola und machte einen Schritt zurück.

„Nun Oberhaupt Dume, Vhisola!“, sagte er gewohnt schnippisch und sein Blick formte sich zu einem fiesen Lächeln.

„Entschuldigt“, hatte Vhisola gesagt und versuchte ihm nicht in die Augen zu schauen. „Glückwunsch zu Eurem deutlichen Sieg.“

Dume musste matt lachen. „Es wird mir eine Ehre sein, das Volk Metru Nuis durch eine neue Ära zu geleiten.“ Er drehte sich um und starrte nun in die Arena, die sich langsam leerte und Matoraner wieder in die Gänge strömten.

„Nun, was ich dich unbedingt fragen wollte, Vhisola“ - er drehte sich wieder um und zog erneut eine grimmige Miene - „möchtest du mir beim Regieren beistehen und weiterhin die linke Hand des Oberhaupts sein?“

Vhisolas Augen hatten sich ausgeweitet. Ihr ganzer Gesichtsausdruck, reine Überraschung.

„Tu-... Oberhaupt Dume, es wäre mir eine Ehre...“ Vhisola schwenkte ihren Blick zu Hahli. Die Matoranerin war genauso überrascht von Dumes Angebot. Doch nur kurz darauf spürte sie die Freude in ihrem Körper... sie lächelte, wie sie es nach einer Aussage Dumes noch nie getan hatte. Und dann, sie konnte Vhisola nur eifrig zu nicken, sie musste es doch annehmen! Sie, wenn schon nicht Oberhaupt, dafür aber weiter die zweite Kraft auf Metru Nui! Dume vertraute ihr, genau wie es Likhan getan hatte.

„Ja... ja, ich nehme Ihr Angebot an!“

Dume lächelte schnippisch. „Dann wäre dies also geklärt.“ Und mit seiner letzten Silbe verließ er die beiden Ga-Matoraner, verschwand in den dunklen Gängen des Kolosseums...

Kapitel 11: Finstere Pläne[]

Hahli befand sich hoch oben im Nordturm, den Kopf auf ihrem Arm gestützt und in der anderen Hand hielt sie eine Steinplatte in der Hand.

„Gratulation zum eindeutigen Sieg, Oberhaupt Dume“, las sie gelangweilt vor. „Die Maskenschmieden in Ta-Metru werden euch mit Ehre beistehen.“

Hahli musste plötzlich gähnen, ehe sie die Steinplatte zu einem großen Haufen an zerbröckelten Felsen und Steinen warf, die neben ihrem Tisch lagen. Seit Dume nämlich vor zwei Tagen die Oberhauptswahl gewonnen hatte, lagen haufenweise Glückwunsch-Platten auf ihrem Tisch, die sie jede einzelne durchlesen musste, und welche nie den Weg zu Dume finden würde. Er hatte Hahli ausdrücklich gesagt, ihm nur kurz zu erzählen, was die Matoraner und Turaga ihm alles schreiben würden, er selbst habe keine Zeit gehabt sie zu lesen, wie er Hahli mitteilte. Likhan war da ganz anders gewesen: Er hatte Mitteilungen an ihn immer persönlich in Empfang genommen, stundenlang saß er meist in seiner Kammer, las und schrieb zurück.

Aber das war bis jetzt die einzige Veränderung, die seit Dumes Wahl eingetreten ist: Hahli arbeitete immer noch im Nordturm, die Matoraner gingen immer noch in Scharen die Straßen Metru Nuis entlang und Vhisola hatte immer noch so wenig Zeit wie früher. Sie war oft in Dumes Büro und diskutierte wohl mit ihm, wie sie das aber durchstand, darüber zerbrach sich Hahli immer wieder den Kopf. Sie hatte schon öfters bemerkt, wie angespannt Vhisola war, wenn sie mit Dume sprach. Mit einer Vielzahl von anderen Kolosseumsarbeitern mochte sie es einfach zu diskutieren, zu debattieren... aber ob das mit Dume klappen würde? Er machte schon einen sehr autoritären Eindruck.

Hahli hatte eine weitere Steinplatte auf den Boden geworfen und nahm sich die nächste von einem größeren Stapel links von ihr. Schnell überflog sie das Geschriebene... doch dann stoppte sie. Hatte sie das wirklich gelesen? Sie las noch einmal, diesmal aber gründlicher.

„Bitte PERSÖNLICH an Oberhaupt Dume geben.“

Hahli konnte nicht weiterlesen. Der nachfolgende Text war in Schriftzeichen verfasst, die sie noch nie vorher gesehen hatte. Und sie kam einfach nicht drauf, aus welcher Region des Matoraner-Universums dieser wohl stammen konnte. Nur am Ende stand in winzigen Metru-Nui-Schriftzeichen „Gezeichnet, Aodhan“.

Aodhan. Diesen Namen hatte sie noch nie vorher gehört. Wer war er dann, der so darauf bestand, Dume etwas mitzuteilen?

Hahli überlegte schließlich nicht lange, stand von ihrem Sitz auf und ging aus ihrer Kammer heraus. Sie durchquerte erneut die Unendliche Treppe, bis sie in dem großen Gang angekommen war, der jedoch komplett leer war, nicht mal eine Manas-Fliege surrte und schwebte durch die Halle.

Laut hallten Hahlis Schritte in dem Gang wieder und fast schon bedrohlich wippten die Flaggen der sechs Metrus im Wind. Ihre Fahnenmasten quietschten, als würden sie Unheil ankündigen.

Immer wieder huschten an Hahli die dutzenden Seitenkammern vorbei, doch ihr Blick war fest auf die hölzerne Tür am Ende des Ganges gerichtet, dem Arbeitszimmer Dumes. Die Toa-Statuen flogen an ihr vorbei und mit jedem Schritt kam Dumes Tür näher, Hahli hatte die Steinplatte fest im Griff, als könne sie ihr entfliehen.

Schließlich stand sie vor seiner Tür, sie ignorierte ihr Magenknurren und ihr pochendes Herz. Dume wird sie schon nicht umbringen, nur weil sie ihm eine Nachricht überbringen wird, er wird dafür schon Verständnis haben. Hahli hatte ihre Hand zu einer Faust geballt, als plötzlich...

„...Oberhaupt Dume, sie können das doch nicht einfach durchsetzen! Sie haben eine Verpflichtung!“

Der Ga-Matoranerin war sofort bewusst: Es war Vhisola. Und sie redete mit Dume, oder... sie schreite förmlich. Was war los? Was hatte sie so sehr aufgebracht?

„Und ob ich das kann! Meine Verpflichtung gilt Metru Nui und wenn du meine Handlungen nicht akzeptierst, bist du es nicht würdig, eine Likhan-Treue genannt zu werden!“

Hahli wurde fast schon übel. Dume polterte, er hatte Vhisola angeschrien... Sie waren in Streit geraten... Aber wieso?

„Ich bitte Sie, es war Likhans Wunsch! Sie sind unser neues Oberhaupt, Sie müssen sich um das Volk kümmern wie eine Kikanalo-Mutter um ihr Junges!“

Ruckartig wurde Hahli um den ganzen Körper eiskalt. Sie wusste doch, Dume war streng... und jemand der Gehör wollte... Was wäre... wenn er es Vhisola zeigen würde, sie vielleicht sogar entlassen würde?

„Du wagst es, du elendige Ga-Matoranerin! Du wagst es, dich meinem Willen zu widersetzen! Ich kann nicht nachvollziehen, dass Likhan dich zu seiner linken Hand gemacht hat! Du bist ein erbärmlicher, widerwärtiger Hikaki! Verschwinde! Raus, lass dich nie wieder im Kolosseum blicken! HINFORT!“

Hahli hörte die aufgebrachten Schritte, wie sie immer lauter wurden. Blitzartig huschte sie zur Seite, während der Angstschweiß ihre Kanohi Kaukau runterfloss. War das gerade wirklich passiert? Doch ehe sie darüber nachdenken konnte, riss Vhisola die Tür zur Seite und schloss sie mit so einer Wucht wieder zu, dass selbst ein halbtauber Burnak es nicht überhört hätte. Und dann schaute Vhisola zur Seite – ihr Gesicht sah so aus, als könne sie nichts mehr verwundern, ihre Augen zornten wie Hahli es noch nie bei ihr gesehen hatte und sie keuchte, als hätte sie gerade einen Marsch durch das Universum hinter sich gehabt. Ihr Entsetzen war unverkennbar.

„Hahli“, flüsterte sie und ehe Hahli ihr irgendwas entgegnen konnte, hatte sie ihren Arm gepackt und zog sie den Gang entlang, über die Unendliche Treppe hinauf in den Nordturm, wo sie zu Boden sackte und die Hände im Gesicht vergrub. Eine Zeit lang sagte keiner der beiden Ga-Matoraner etwas, Hahli musste sich erst alles durch den Kopf gehen lassen. Dume – er hatte Vhisola entlassen – er hatte sie beleidigt, aufs Übelste. Und je mehr ihr die Worte Dumes durch den Kopf flogen, desto fassungsloser wurde sie. Was hatte den Anlass gegeben, für diesen Streit... für diese Auseinandersetzung?

„Vhisola“, piepste Hahli, „w-was war passiert?“

Ihre Freundin konnte zur Antwort nur den Kopf schütteln. Sie rieb sich das Gesicht, bevor sie schließlich aufstand und aus dem Fenster in Richtung Ta-Metru schaute, wo düstere Aschewolken empor stiegen und die Lavaflüsse die Ascheberge entlang flossen.

„Es ist schrecklich... Dume ist schrecklich. Hahli, unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt!“ Sie drehte sich gen Hahli um und setzte einen so entgeisterten Blick auf, dass Hahli fast schon bange wurde. „Er hatte es von Anfang an geplant. Er dachte, ich könnte ihm dabei behilflich sein, doch... Hahli, Dume hat Grauenhaftes vor. Er will alle Parteien abschaffen, er will das Parlament vernichten. Nur er soll Alleinherrscher sein. Und er will Krieg...“

„Krieg?“, schluchzte Hahli entsetzt.

„Ja, er will alle Matoraner zu blutrünstigen Kriegern versklaven... und will dann den Südlichen Kontinent angreifen. Ihm ist das Volk egal, die Metrus, wozu braucht er die? Wenn doch Krieg das Einzige ist, was er will!“

Hahli konnte nicht fassen, was sie da gerade hörte... Dume, der doch Frieden und Wohlstand versprochen hatte... Und jetzt... jetzt will er aus Metru Nui, einem Paradies, einem Staat, in dem es so friedlich und freundlich zugeht, ein reines Trümmerfeld machen. „Das ist unfassbar“, sagte Hahli und auch sie sackte zu Boden. „Wir müssen ihn doch irgendwie aufhalten!“

Vhisola schaute wieder aus dem Fenster des Nordturm, wo eine Windböe die Aschewolken in Richtung Po-Metru trieb. „Er ist nur einer – wir sind tausende. Niemand wird den Krieg wollen, Hahli. Wir müssen einen Widerstand formen. Es wird die Zeit kommen, wo Dume seine Pläne durchsetzen will, er kann sich nicht ewig hinter seiner lächelnden Kanohi verstecken. Dann, dann müssen wir zuschlagen... Aber Hahli...“ Sie ging auf ihre Freundin zu und fasste sie an die Schulter. Ihre Augen verrieten einfach alles... ihre ganze Empörung, ihre Wut, ihren Widerstand... „Hahli, ich kann nichts mehr im Kolosseum ausrichten. Wenn Dume mich noch einmal sieht, bin ich nichts mehr als eine Protodermis-Pfütze. Aber du, du weißt jetzt Bescheid und du bist und du arbeitest immer noch hier! Du musst sein Spiel mitmachen, du musst ihn ausspionieren, krieg' alles aus ihm raus, was du nur kriegen kannst. Jede Information ist goldwert! Und wenn Dume denkt, nichts kann ihn mehr aufhalten, dann wird er sich aber getäuscht haben. Wer es wagt, das Volk Metru Nuis in den Untergang zu führen, wird auf heftigen Widerstand und unermüdliche Rebellion stoßen!“ Vhisola klang bei ihrer Rede genau so stolz, wie sie es immer getan hatte. Doch Hahli hatte ihr Auftrag etwas mulmig gestimmt... Sie, als Spionin... Sie musste Dumes Vertrauen gewinnen und alles aus ihm heraus kitzeln... Sie wusste, es würde gefährlich werden... Sie wusste, sie könne ihr Leben aufs Spiel setzen, denn Dume ist kein Dummkopf. Ihr war das alles bewusst... aber wenn Dume tatsächlich Krieg führen wollte, und die Matoraner versklaven will... dann bleibt nichts anderes übrig. Wenn sie es nicht wagt, hat Dume jetzt schon gewonnen.

Vhisola ging wieder zur Ausgangstür, flüchtig verabschiedete sich mit einer kleinen Handbewegung. Und plötzlich kam Hahli wieder der Gedanke mit dem Toa-Stern... und auf einmal stimmte sie die hell glühende Gestalt vor ihrem geistigen Auge sie nicht mehr mulmig... Ein neuer Toa, zur rechten Zeit... eine Anführerin des Widerstands... und jemand, der Dume davor bewahren wird, Metru Nui zu einem Kriegsschauplatz zu machen. Vielleicht hätte sie das Vhisola mitteilen sollen... andererseits... vielleicht ist sie ja doch die neue Toa... Wer, wenn nicht sie mit ihrem festen Wille wäre als bestes geeignet, Dume zu stürzen und Metru Nui wieder Freiheit zu geben?

* * *

Wenn Hahli nun am Arbeiten war, saß sie nicht mehr länger im Nordturm, sondern verbrachte die Zeit im Gang vor Dumes Zimmer. Mehrere Stunden hatte sie einfach so in dem Gang gesessen, ihr Blick war fest auf Dumes Tür gerichtet, in der Hoffnung, dass er jeden Moment herauskommen würde und sie ihm folgen könnte. Doch alles verlief anders: Nicht ein einziges Mal ging seine Tür auf, nicht ein einziges Mal erkannte sie die kleine, rote Gestalt Dumes.

„Jetzt komm doch endlich da raus, du alter Burnak!“, jammerte Hahli und musste wütend seufzen. Doch da fiel ihr wieder die Steinplatte Aodhans ein, die doch unbedingt an Dume geschickt werden sollte. Windeseilend rannte Hahli den Nordturm nach oben, wühlte zwischen all den anderen Steinplatten, bis sie die eine mit den merkwürdigen Schriftzeichen sah. Sie konnte sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen, als sie sich wieder im Gang befand und zu Dumes Tür eilte. Unangenehm wurde ihr dann doch schon, so wie Dume mit Vhisola umgegangen ist. Hahli schaute schnell zurück, in den matoraner- und turaga-leeren Gang. Vielleicht... sollte sie doch noch eine Weile warten, irgendwann muss er ja raus kommen. Da wollte Hahli schon von seiner Tür weggehen, als auf einmal... Eine Stimme in einem Kopf... Hahli, das ist deine Chance. Wenn nicht jetzt, wann dann? Verhindere, dass Metru Nui jeden Tag seinem Untergang näher kommt!

Die Stimme hatte sich angehört, als stände jemand genau neben ihr, wie oft hatte sie das schon erleben müssen. Aber das sollte sie jetzt nicht kümmern, sie fasste ihren ganzen Mut zusammen – und klopfte an der Tür.

Für einen Moment konnte sie nur die leisen Schritte Dumes hören, die sich der Tür näherten... Hahlis Herz schlug immer höher... Und dann, dann riss er die Tür auf... Was sollte Hahli nur sagen? Sekunden später kam Dumes Kanohi Kirill zu Vorschein und sein Blick war grimmig wie eh und je.

„Hahli!“, sagte er dann ungewöhnlich freundlich, während Hahli die Steinplatte so fest in den Händen schloss, dass deren raue Oberfläche eine kleine Wunde hinterließ. „Welch angenehme Überraschung!“ Sein Augen verengten sich und musterten Hahli von Kopf bis Fuß.

„Oberhaupt Dume“, sie verbeugte sich um so loyal und treu wie möglich zu wirken. „Ich habe eine Nachricht für sie, die ich ihnen persönlich überbringen sollte.“ Sie reichte ihm die Steinplatte und sein Blick wurde immer mürrischer. Für eine kurze Weile überflog er sie, bis er dann wieder das Wort ergriff: „Was steht da?“

Wie?, dachte Hahli. Jemand schreibt Dume in einer fremden Sprache und weiß nicht, dass Dume diese nicht spricht?

„Ich weiß nicht, Oberhaupt Dume“, murmelte Hahli.

Dume zuckte die Schultern und gab Hahli wieder die Steinplatte. „Suspekt“, sagte Dume und ging wieder in seine Kammer. „Ein gewisser Aodhan will mir etwas Unbedingtes mitteilen und vergisst dabei auch noch, dass ich ein echter Metru-Nui-Bewohner bin. Ich spreche seine primitive Sprache nicht.“ Dume musste leise lachen, ehe er sich hinter seinem Tisch saß und Hahli anstarrte, die immer noch vor seiner Tür stand. „Komm doch rein, Hahli!“, sagte er und wies sie mit einer flüchtigen Handbewegung in seine Kammer. Hahli war es dabei egal, wieso er so überfreundlich wirkte – denn sie hatte es geschafft, sie war drin – innerlich triumphierte ihr ganzer Körper.

Hahli schaute sich in Dumes Zimmer um: Viel hat sich nicht wirklich geändert, es hingen immer noch die sechs Metru-Flaggen in der Kammer. Nur auf Dumes Tisch stand ein merkwürdiger Rahi-Schädel, dem Hahli einen verwirrten Blick schenkte.

„Ich sehe, dich fasziniert mein Burnak-Schädel.“ Hahli erschrak, als seine kalte Stimme durch den Raum hallte. „Ein Andenken aus meiner Toa-Zeit, ich hatte damals mit meinem Team auf Odina eine Horde Protodermis-Burnaks getötet und heute soll nur noch einer übrig sein.“ Hahli erinnerte sich plötzlich an eine Erzählung über Tuyet: Hatte sie nicht auch mal einen Burnak dieser Art zerstört?

„Toa Tuyet hat auch mal einen erledigt“, hatte Hahli gesagt und wirkte dabei wie eine fleißige Schülerin in den Lehrstunden Turaga Nokamas.

„Oh ja“, sagte Dume und grinste breit. „Tuyet war in meinem Toa Team.“

Hahli blieb das Herz stehen. Dume – er war ein Wegbegleiter Tuyets. Und kaum hatte er zu Ende gesprochen, schossen Hahli wieder unzählige Gedanken durch ihren Kopf... sie hatte Fragen an Dume, doch wo sollte sie nur anfangen? Hahli wusste, er hatte nie eine Toa-Statue bekommen. Sie wollte schon zu ihrer Frage ansetzen, als sie es dann doch lieber ließ. Sie hatte zu sehr Angst, dass Dume sie genau so wie Vhisola aus dem Kolosseum jagen würde.

„Und?“, fragte Hahli stattdessen. „Wie war Toa Tuyet?“

Dume konnte zur Antwort nur lachen. Hatte Hahli etwas Falsches gesagt?

„Nun, du scheinst mir eine sehr interessierte Matoranerin zu sein. Ich würde dir die Bücher von Kopeke, dem Chronisten aus Ko-Metru empfehlen, er ist ein fabelhafter Aufzeichner.“ Hahli wollte schon entgegnen, dabei hatte sie vergessen, dass Kopeke doch eng mit Dume vertraut ist. Sie sollte ihn besser nicht vor ihm kritisieren.

Für einige Zeit lang herrschte Stille in dem Raum, sie war Hahli fast schon peinlich. Sie musste doch irgendwas fragen, irgendwas aus Dume rausbekommen, er schien ihr doch zu vertrauen. Doch wie sollte sie nur anfangen, ohne ihn gleich als kriegsfreudigen Unterdrücker darzustellen? Aber dann war es Dume selbst, der wieder anfing zu reden.

„Hahli, gestern ist ein unrühmlicher Fall im Kolosseum vorgefallen.“ Ohne dass er weitersprach, wusste Hahli, dass er Vhisola meinte. „Meine linke Hand, Vhisola, hat sich als Verräterin erwiesen. Sie hat den Frieden geleugnet und damit ihre Heimat verraten. Ich sah es als einzige Möglichkeit, sie zu entlassen.“

Tief in ihrer Magengegend breitete sich pure Empörung aus. Sie sah sich einfach gezwungen, ihre Hand unbemerkt zu einer Faust zu ballen. Was Dume da gerade geredet hatte, ließ ihren ganzen Leib vor Wut überkochen. Wenn sie nur könnte, wäre sie ihm an den Kragen gegangen und hätte ihn glattweg gegen die Wand gestoßen. Hahli mühte sich, ein nicht wutentbranntes Gesicht aufzulegen und so tun, als würde sie Dume einfach glauben.

„Verrat und Hintergehung tolerieren wir nicht auf Metru Nui.“ Der Turaga war aufgestanden und ging nun in seiner Kammer hin und her, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.

„Nun, Hahli“, sagte er dann und war an der Ga-Matoranerin so nah vorbeigegangen, dass Hahli seinen samtenen Turaga-Umhang spürte, wie dieser ihren Rücken streifte. „Jetzt, da Vhisola weg ist brauchen wir eine neue, linke Hand.“

Hahli setzte einen verwirrten Gesichtsausdruck auf, warum brauchte Dume überhaupt noch einen Stellvertreter, wenn er doch die alleinige Herrschaft wollte?

„Und da hatte ich mir überlegt, dass auch du den Posten übernehmen könntest.“

„Was?“ Hatte Hahli richtig verstanden? Sie? Die zweite Kraft auf Metru Nui? Stellvertreter und linke Hand Dumes? Natürlich hätte sie an dieser Stelle darüber spekulieren können, warum er gerade die verschlossene, unaufmerksame Hahli nimmt, die für diesen Posten die scheinbar ungeeignetste Matoranerin überhaupt schien. Doch stattdessen spürte sie, wie etwas durch ihren Körper strömte... es war Glück, pures Glück breitete sich bis in ihre Fingerkuppen aus, ihr Herz fühlte sich an wie ein Gukko, frei und glückselig in der Luft schwebend. Es war ihr jetzt egal, wieso gerade sie... aber Hahli war nun Dume so nahe wie niemand anders... jetzt durfte sie ihn endlich ausspionieren, dass er an dem Tag seines Untergangs diese Entscheidung noch bitter bereuen wird.

„Oberhaupt Dume“, sagte Hahli und wirkte dabei gefühlslos und kalt, als wäre sie ein Abbild Dumes. „Es wäre mir eine Ehre an Eurer Seite diesen Inselstaat anzuführen...“

Dem folgte ein leises Lachen des Turagas, der sich hinter Hahli stellte und seine Hand auf ihre Schulter legte... es fühlte sich an, als ob mit einer Berührung jede Freude in ihrem Körper ausgestorben ist.

„Ich freue mich, dass du mich unterstützen möchtest. Ich brauche dich heute nämlich. In wenigen Stunden fängt nämlich die erste Versammlung des Parlaments statt und ich brauche deine Qualitäten als Schriftführerin.“

Hahli zögerte nicht lange. „Nichts lieber als das.“ Sie wusste nicht wieso, aber irgendwie machte ihr es Spaß, Dumes Anhängerin zu spielen... vielleicht war es ja der Gedanke, dass er schon bald tief in den Kerkern der Grube sitzen wird und die Matoraner und Turaga Metru Nuis ihre Befreiung feiern werden.

Kapitel 12: Dumes Schrecken[]

Ein schwacher Wind wehte durch die riesige Arena des Kolosseums und Hahli saß einfach nur da, an nichts denkend, nichts sagend. Sie hatte kurzzeitig ihre Augen geschlossen und genoss diesen einen Moment... einfach nur alleine da zu sitzen, wie sie es schon hundert Mal am Strand Ga-Metrus getan hatte, mitten im Sand zu liegen und den Windböen zu lauschen... Sie hatte vergessen, dass sie gerade als Schriftführerin die erste Parlamentssitzung leiten sollte, sie bemerkte nicht, wie die Matoraner schwatzend aus den Kolosseumsgängen in die Arena stürmten, ja... fast schon hatte sie vergessen, dass sie überhaupt einen wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte. Sie, als neue linke Hand Dumes... und als Einleiterin seines Untergangs.

Wrumm!

Erst als sie das Knattern von tausenden Zahnrädern hörte, riss sie die Augen auf – gerade noch hatte sie auf dem Balkon Dumes gestanden, doch plötzlich raste dieser mit großer Geschwindigkeit nach unten – und Hahli sah, wie die vielen Matoraner, die vorhin nur kleine, bunte Flecken auf den Kolosseumssitzen waren, jetzt immer deutlicher wurden und ihr immer näher kamen, sodass sie selbst die kleinsten Details ihrer Kanohi-Masken erkennen konnte.

Die Parlamentssitzung sollte also nun beginnen. Hahli griff in ihre Tasche und wühlte nach einer leeren Steinplatte, dabei fiel ihr wieder die Nachricht Aodhans auf.

„Was soll's“, murmelte Hahli dann und nahm die Rückseite Aodhans Platte, da sie nicht eine einzige unbeschriftete Platte in ihrer Tasche gefunden hatte. Sie hätte sich natürlich als zu unordentlich für den Posten Dumes linker Hand bezeichnen können, doch das war jetzt das aller Unnötigste, was sie sich hätte vorwerfen können.

Dume. Wo steckte dieser eigentlich? Hahli schaute sich flüchtig auf dem Balkon um, der jetzt auf Höhe der Kolosseumssitze war – und da bewegte er sich, aus dem Schatten des Oberhauptsturmes kam seine feuerrote Kanohi Krill zum Vorschein. Die Matoranerin erschrak, als er so plötzlich hinter ihr auftauchte, riss den Kopf dann jedoch zu ihrer Steinplatte.

„Lass uns Geschichte schreiben“, flüsterte er Hahli zu und trat an den Rand des Balkons, wo er die Arme hob und die hundert Matoraner der Parteien ihm zujubelten. Hahli hatte versucht in dem Gemenge Macku oder die anderen Mitglieder der RaHi auszumachen, aber vergebens.

„Matoraner Metru Nuis! Ihr seid das Parlament dieser wunderbaren Insel!“, schrie Dume und erneut klatschten die Matoraner aufgeregt.

„Wir dürfen stolz sein, Likhans Willen nachzugehen! Denn schließlich war es sein letzter Wunsch, sein Erbe an dieses Paradies!“

Hahli notierte seine Bemerkungen kurz und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich Dumes Augen zu Schlitzen formten.

„Ich heiße euch willkommen, zur ersten Parlamentssitzung!“ Dume schrie förmlich, als würde ihn ein Takea gerade zerbeißen.

„Und leider bin gezwungen, diesen historischen Tag mit einer traurigen Botschaft zu beginnen.“ Ein Raunen ging durch die Menge an Matoranern, gefolgt von einem aufgeregten Schwatzen. Hahli wusste schon, was er vor hatte – er wollte Vhisola kaltblütig demütigen. Er wollte die Matoraner belügen, er als Oberhaupt. Die Matoranerin spürte schon, wie die Wut in ihrer Magengegend aufschäumte und sie ihren Meißel immer fester umschloss.

„Eine Matoranerin, der wir alle zujubelten und der auch ich mein Vertrauen gab, die ich für eine loyale Staatsdienerin hielt – sie hat uns verraten! Und nicht nur mich, sondern auch euch und ganz Metru Nui!“ Mit jedem Mal, bei dem Hahli Dumes Worte aufschreiben musste, wurden ihre Schreibbewegungen immer aufgebrachter, es ähnelte fast schon, als wolle sie die Steinplatte zerbrechen, als auf ihr schreiben.

„Und Verrat an Likhan und dem Volke muss bestraft werden. Freunde unserer Politik – Diebe und Hintergeher wie Vhisola müssen Reue zeigen!“ Kaum hatte Dume zu Ende gesprochen, hallte ein lauter Aufschrei durch die Arena – niemand hatte wohl gedacht, dass ausgerechnet Vhisola sich als Verräterin erweisen wird. Niemand hatte gedacht, dass die Matoranerin, die von 27 Prozent des Volkes gewählt wurde nur bitterböse Absichten verfolgt – wenn sie wirklich wüssten, wer hier der Dieb und Hintergeher ist, dachte Hahli.

Für die nächste Zeit herrschte wieder Stille im Parlament und Hahli erkannte, wie Dumes finsterer Blick die Menge musterte, als ob er sich für jeden einzelnen gerade eine Lüge ausdachte, um sie aus seinen Wegen zu beseitigen.

„Matoraner“, sprach er dann wieder. „Aber müssen wir uns nicht alle hinterfragen?“ Hahli gluckste – was meint Dume nun damit wieder. „Müssen wir uns nicht alle die Vertrauensfrage stellen? Sind wir in gewisser Weise nicht alle Verräter? Lasst mich euch von einer Zeit erzählen, in der über Generationen Oberhäupter von ihren Vorgängern bestimmt wurden. Ich selbst war damals noch ein aufgeregter Matoraner auf der Suche nach seiner Bestimmung. Ich erinnere mich, wie das erste Oberhaupt, Turaga Vakama, noch regierte und ihm folgte der glorreiche Turaga Nuju. Es waren nur diese zwei Generationen, die ich als Matoraner erlebt hatte – und ich muss gestehen, ein solches Gefühl... noch nie hatte mich so ein Stolz umgeben, als ich meinem Oberhaupt zujubeln darf, ihn als meinen Anführer bezeichnen konnte. Sie waren wie Gesandte Mata Nuis, wir verehrten sie. Und jeder Matoraner, jeder Toa stand seinem Oberhaupt zu Diensten. Sie haben uns durch Krisen geführt und das alleine, mit ihrer Kraft! Sie haben Metru Nui immer wieder aus den Fängen der Dunkelheit gezogen, als jeder dachte, dieses Paradies sei verloren!“

Hahli hatte zwischenzeitlich aufgehört seine Rede mitzuschreiben – sie konnte einfach nicht. Was erzählte Dume da, was er wollte er damit erreichen? Die Ga-Matoranerin spürte genau, jedes seiner Worte war finster und kalt. Hastig blickte sie in das Parlament, wo die hundert Matoraner gespannt auf Dume starrten, gefesselt von seinen Worten. Hahli wurde plötzlich mulmig. Es war wie ein kalter Regenschauer, und die Regentropfen bestanden aus purer Angst.

„Und auch Likhan regierte alleine, ohne Parlament und ohne Gehilfen, ohne den Dialog. Und wenn wir uns tatsächlich als Likhan-Treue bezeichnen, dann meine Freunde. Dann sollten wir doch weiterhin regieren, wie er und wie seine Vorgänger! Likhan hatte alleine regiert und wir erlebten eine Blütezeit! Ich sage euch, Matoraner, wenn der Richtige an der Macht ist, dann gibt es nichts zu befürchten!“ Es war, als ob ein Gafna sie in den Magen schlug. Dumes Worte, seine Rede war ein einziger Schlag – Hahli fühlte sich gekränkt, ihre ganze Hand zitterte, dass ihr das Schreibwerkzeug aus der Hand fiel und ihr Kopf vor Schmerz stach. Nur kurzzeitig erblickte sie die Parlaments-Matoraner, die immer noch gefesselt auf Dume starrten.

„Freunde Metru Nuis: Wir sind Verräter, wenn wir in Parlamenten arbeiten. Verräter Likhans! Vertraut mir, vertraut meiner Macht! Ich werde euch durch den Frieden führen, nur dazu... muss das Parlament aufgelöst werden.“ Seine letzten Worte klangen so zäh und gleichzeitig so düster, dass es einen ganzen Riku-Schwarm hätte verscheuchen können. Hahli indes hob wieder den Meißel vom Boden und notierte wieder seine Aussagen – doch jeden Buchtsaben, den sie notierte, bereitete ihr nur noch mehr Schmerzen. Dume war blutrünstiger und gerissener, als es Vhisola ihr schon berichtet hatte – er scheute nicht davor, seine Pläne durchzusetzen und den Namen Likhans und Metrus Nuis in den Dreck zu ziehen.

Die hundert Matoraner schauten sich in der Zwischenzeit gegenseitig an, sie schienen mit einander zu reden, sich zu beraten. Doch keiner von ihnen klang in irgendeiner Weise aufgebracht – viel mehr hörte man die Angst aus ihrem Geschwatze, als wäre sie ein im Wind aufgeregt wehendes Banner.

Und dann plötzlich – es kam so unverhofft, dass Hahli mit einem kleinen Hüpfer aufschreckte.

„Ehrenwertes Oberhaupt Dume!“, es war ein Onu-Matoraner, der gerade von seinem Sitz aufgestanden ist.

„Ich, Tehutti, als Vorsitzender der PTF, der Partei der Technik und des Fortschritts-“, begann er. Hahli hatte ihren Blick nun fest auf Tehutti gerichtet, er stand stolz und entschlossen und deutete mit einer Handbewegung immer wieder auf sich. Er musste doch irgendetwas sagen, er musste sich doch damit nicht einverstanden geben, Hahli war überzeugt, er wird Dume doch dafür kritisieren müssen.

„-bin erfreut, Euch mitteilen zu können, dass unsere Partei Euch vollkommen zustimmt.“

Hahlis Herz war nur noch ein Eiszapfen.

„Ihr habt mit allen Punkten Recht und deswegen erklärt unsere Partei ihren Rückzug und ihre Auflösung.“

Hahli konnte nur seufzen. Sie lehnte ihren Kopf, der sich auf einmal so unglaublich schwer anfühlte, gegen ihre Hand. Das... Das durfte doch alles nicht möglich sein! Wie, wie können die Matoraner nur so naiv sein und Dume glauben? Es war Likhans einziger Wunsch, er hatte doch nie gewollt, dass alles beim Alten bleibt, sondern er wollte Metru Nui neue Wege aufzeigen... Aber so wird dieses Paradies, von dem Dume sprach, sein baldiges Ende finden...

* * *

„Er hat was?“

„Ja, Vhisola. Er will das Parlament auflösen.“

Vhisola sackte auf Hahlis Burnak-Fell-Bett und fasste sich ans Herz, sie musste einmal schwer ausatmen. Die beiden Ga-Matoranerin befanden sich in Hahlis Hütte und hatten sich alles erzählt, was in den letzten Tagen vorgefallen ist: Von Hahlis Ernennung zur linken Hand Dumes, seiner Beziehung zu Tuyet und seinen Plänen. Immer wieder hatten sie und Vhisola darüber spekuliert, was Dume für Absichten verfolgt oder warum gerade er Krieg führen will... und Metru Nui in Schutt und Asche legen will...

„Du sagtest doch, er war in Tuyets Team?“ Hahlis nickte kurz und lehnte sich gegen ihre Hüttenwand.

„Und er hat keine Toa-Statue?“

„Ja“, sagte Hahli und sparte sich die Aussage, dass Vhisola es doch am besten wissen müsste, da sie ununterbrochen im Kolosseum gearbeitet hatte.

„Vielleicht hat er ja nie den Ruhm gekriegt, den er kriegen wollte. Und jetzt will er Rache an denen nehmen, die ihn nie für ernsthaft gehalten haben, geschweige denn, ihn anerkannt haben. Aber mal ehrlich, sind dir irgendwelche Heldentaten des Toa Dume bekannt?“

Hahli überlegte kurz. In der Tat, man hatte viel über Tuyet und Nidhiki gesprochen und aufgeschrieben, aber über Dume – nicht mal eine kleine Aufzeichnung über sein Toa-Leben, selbst Kopeke, der ihm doch so treu ergeben ist, hat nie etwas von ihm berichtet.

„Nein, Vhisola“, antwortete Hahli besorgt und huschte zu ihrer anderen Hüttenwand hinüber.

„Ich will darüber auch nicht spekulieren, es geht doch jetzt nur darum, wie wir Dume aufhalten können. Erzähl', wie läuft es mit dem Widerstand?“

Vhisola war aufgestanden und schaute sich nun in Hahlis Wohnung um, als wäre sie sie noch nie besuchen gewesen. „Noch ist es recht einfach, Dume ist bis jetzt allein mit seinen Plänen, deshalb sollten wir uns besonders jetzt anstrengen, Widerstände zu formen, bevor er noch seine Anhänger gegen jegliche Rebellion hetzt.“ Sie machte eine kurze Pause und wandte sich wieder Hahli zu. „Bis jetzt habe ich es geschafft, einige Matoraner zu überzeugen, aber ich muss gestehen, einige waren wirklich hartnäckig, besonders diese ganzen Dume-Fanaten. Viele meinten, ich wäre einfach nur neidisch, andere wiederum waren sofort auf meiner Seite, liegt wohl daran, dass sie Dume auch nicht wirklich vertrauten. Gerade sind es ohne meiner Wenigkeit neun Matoraner und du wirst nie erraten, wer auch dabei ist! Piruk!“

Sie gluckste kurz, aber Hahli konnte ihr zur Antwort nur eine bekümmerte Miene aufsetzen. „Vhisola, in solchen Zeiten ist es egal, wer für uns kämpft... wichtig ist nur, dass wir alle dasselbe Ziel haben...“

Es vergingen wenige Minuten, in denen beide nichts beredeten, nur das Meer rauschte im Hintergrund und einige Gukkos flogen am Himmel vorbei... nur ein ganz plötzliches Türklopfen unterbrach diese Stille.

„Wer kann das wohl sein?“, murmelte Hahli und ging zur Tür. Als sie sie aufriss, starrte sie in die Kanohi Ruru eines Ta-Matoraners – wer auch immer es war, Hahli kannte ihn nicht.

„Tiribomba mein Name, Briefbote auf Metru Nui. Eine wichtige Nachricht aus dem Kolosseum!“

Tiribomba übergab Hahli eine kleine Steinplatte, ehe er mit einem hastigen „Tschüss“ wieder weiterging. Hahli interessierte sich jedoch nur für die Botschaft, die er ihr gebracht hatte – sie stammte aus dem Kolosseum.

Hahli zeigte sie Vhisola, dass beide sich um die kleine Steinpaltte herum quetschten.

„Von Kopeke, Erstem Kolosseumschronisten“, las Hahli vor und musste daraufhin laut stöhnen. Wenn es von Kopeke ist, kann es nur irgendetwas dume-verherlichendes sein. Als die Ga-Matoranerin jedoch weiterlas, bemerkte sie, dass er über nichts anderes berichtete, als dem, was Hahli bereits in der ersten Parlamentssitzung erfahren hatte, von Dumes Plänen, der Auflösung des Parlaments... nur als sie zu dem Absatz mit den bereits aufgelösten Parteien kam, machte sie einen verdutzten Gesichtsausdruck.

„Nach der Partei der Technik und des Fortschritts (PTW) hat sich nur kurze Zeit danach auch der Verband Metru Nui (VeMeNu) dazu erklärt sich aus dem Parlament zurückzuziehen und sich gemäß dem Willen des unantastbaren Oberhaupts Dumes aufzulösen.“ Kaum hatten beide zu Ende gelesen, hielt Vhisola beide Hände vor dem Mund. „Oh nein“, schluchzte sie und ihre Augen strahlten dabei Angst und Entsetzen aus, wie Hahli es selten von Vhisola gesehen hatte.

„Hahli, weißt du, was das bedeutet? Die VeMeNu war die einzige Partei, die sich von Grund auf als Likhan-Treu erwiesen hat, wenn jemand Dume aufhalten kann, dann sind es sie! Sie haben von Anfang an Likhans System befüwortet, doch jetzt, da sie sich Dume widersetzt haben... Hahli, wir müssen schleunigst etwas tun, sonst wird Metru Nui bald nicht mehr existieren...“

* * *

Untergang... Schutt und Asche... Trümmerfeld... Es waren diese Gedanken, die Hahli durch den Kopf schnellten, als sie jeden Tag zu ihrer Arbeit ins Kolosseum ging... Wenn sie die glänzende Fassade der Arena und die vielen Türme sah, kam ihr nur noch die Gestalt Dumes vor Augen und sein kalter, finsterer Blick, sein schnippischer Gesichtsausdruck und seine Gier nach Zerstörung...

Hahli streifte gerade einer der vielen Gänge entlang, seit ihrer Ernennung zur linken Hand Dumes musste sie nun nicht mehr im Nordturm arbeiten, sondern hatte ein kleines Zimmer mit Ausblick auf die Arena. Eigentlich hätte sie sich für normal gefreut, endlich einen neuen Arbeitsplatz zu haben, doch seit der Rede Dumes vor dem Parlament konnte sie an nichts mehr gefallen finden...

Leise hallten ihre Schritte in dem dunklen Gang wieder, in dem nicht eine einzige Fackel hing und auch das Stadionlicht nichts erhellte. Wenn Vhisola hier wirklich einst gearbeitet hatte, tat sie ihr noch mehr leid als dass sie es ihr ohnehin schon tut. Von den Wänden tropfte es immer wieder in unregelmäßigen Abständen und auch die ein oder andere wilde Pflanze rankte sich ihren Weg durch den Gang. Hahli hörte die winzigen Nui-Ramas, wie sie vor sich her summten und immer wieder aufgeregt zur Seite wichen, wenn ein Regentropfen auf den kalten Boden fiel... doch das war nicht das einzige Geräusch, was Hahli hörte.

Von weit her erkannte sie Stimmen, vor allem eine Stimme war dabei unüberhörbar: Kalt und düster und ein Unterton, bei dem man sofort bange wurde: Dume war in dem Gang. Doch er war nicht alleine, Hahli hörte noch einige andere Stimmen, doch sie konnte nicht entschlüsseln, wem sie gehörten. Die Ga-Matoranerin beschloss schließlich, den Gang hinunter zu rennen, sie rannte bis die Stimmen immer lauter und deutlicher wurden, bis -

„Dume, uns sind Eure Überzeugungen und Pläne durchaus bewusst-“

„Dann erfüllt sie doch, wenn ihr Anhänger Likhans seid!“

Hahli presste sich gegen eine Wand, während sie leicht erspähen konnte, wie hinter einer Abzweigung Dume stand und mit ihm waren drei Matoraner – ein Ko-, Po- und Onu-Matoraner.

„Bei allem Respekt, Turaga-“

„Ich bin Oberhaupt Dume, du lästiger Wahiist!“, polterte Dume und Hahli bemerkte, dass es sich bei den drei Matoranern um Mitglieder der WAHI-Partei handelte. Sie waren mit den RaHi die einzigen beiden, die sich noch nicht aufgelöst hatten – und jetzt wollte sie Dume zu ihrem Rücktritt zwingen. Wie so oft fühlte sich Hahli wieder wie ein kalter Klumpen Schnee, aber das war sie in letzter Zeit bereits gewöhnt.

„Entschuldigt-“

„Entschuldigt Euch beim Volke, ihr Verräter! Ihr weigert euch, euch mir zu widersetzen und eurem Volke zu dienen! Ihr seid nur dreckige, miese Matoraner, die den Weg zum Ruhm suchen und eure Pflichten verleugnet. Eure Partei verstößt gegen den Frieden, gegen die Einigkeit! Widerwärtig, Abschaum!“

„Aber Oberhaupt-“

„Verschwindet! Löst eure verräterische Partei auf, oder ihr werdet nie wieder Freude auf diesem Paradies finden!“ Hahli wurde übel. Dume hatte schon einiges gesagt und durchgesetzt, was ihr den Magen umkrempelte – doch dies übertraf einfach alles... Dume war ein Monster...

Kapitel 13: Visorak und Vortixx[]

Hahli hätte sich liebend gern gewünscht, dass es mal wieder auf Metru Nui regnete... dass die Regentropfen ihr Fenster in ihrem Arbeitszimmer verdeckten und sie nicht mehr länger in die Kolosseumsarena schauen musste... Denn jedes Mal, wenn sie in ihre Kammer eintrat, sah sie das riesige Feld und die meterhohen Tribünen... und jedes Mal kamen ihr die grässlichen Erinnerung hoch, sie sah Dume... und die vielen Matoraner, die er verraten hatte...

Als zweite Hand des Turaga sah ihre Arbeit nicht wirklich anders aus, als diese im Nordturm: Ihr ganzer Tisch war bedeckt mit haufenweise Steinplatten und einmal wieder musste sie die ganze Zeit irgendetwas niederschreiben oder kritzeln.

Hahli musste laut seufzen... Gerade hatte sie nur eine weitere von vielen Steinplatten auf den Boden geworfen und sah hinüber zu dem großen Stapel, der sich fast schon bis an die Deke ihres Zimmers türmte. Wie Vhisola das nur aushalten konnte, darüber hatte sie heute mehr als einmal spekuliert. Flüchtig nahm die Matoranerin die nächste Steinplatte und las sie gelangweilt vor:

Teilnehmerliste zum diesjährigen Akilini-Turnier. Folgende Matoraner haben sich gemeldet, um beim von Oberhaupt Dume, dem Unangefochtenen, veranstalteten Wettkampf teilzunehmen:
Tamaru, Le-Metru
Orkham, Le-Metru
Hafu, Po-Metru

Hahli legte die Platte zur Seite und musste gähnen. Sie erinnerte sich noch leicht daran, wie sie einst an einer wichtigen Besprechung zum Akilini-Turnier teilnehmen sollte... bevor Likhan sie sprechen wollte. Das Akilini hatte nicht nur Hahli viel Freude bereitet, es war immer ein großes Fest gewesen, bei dem man im Kolosseum den Matoranern seines Metrus zujubeln durfte und sich für ihre großartigen Erfolge freuen konnte... beim diesjährigen Turnier befürchtete Hahli jedoch, dass der ganze Jubel allein Dume gewidmet sein wird... Sie konnte sich kein bisschen auf das Akilini freuen, allein wenn sie daran dachte, sah sie nicht die vielen Banner der Metrus in der Arena, sondern ein ganzes Kolosseum gefüllt mit Dume-Flaggen... Es war einfach schrecklich, was Dume bereits erreicht hatte und Hahli wusste, es würde bald kein Verstecken mehr geben, wenn sie und Vhisola und der Widerstand nicht etwas tun werden... Dume musste vernichtet werden... ein für alle mal...

Klopf.

Hahli ließ vor Schreck eine Steinplatte fallen. Jemand hatte an ihre Tür geklopft, doch wer wollte sie besuchen? Mit den anderen Kolosseumsarbeitern hatte sie sich nie gut verstanden, also könnte es nur...

„Oberhaupt Dume!“, sagte Hahli, als seine Kanohi Kirill durch die Tür lugte und er in ihre Kammer eintrat... doch er war nicht alleine da... Hinter ihm kamen zwei Gestalten in den Raum, die eine hatte eine silbrig glänzende Rüstung und Hahli erkannte genau, wie eine riesige Klinge an ihrem rechten Arm angebfacht war. Das andere Wesen trug rostrote Panzerungen und zwei gewaltige Hörner ragten aus seinem Kopf... Hahli wusste genau, um welche Wesen es sich handelte: Es waren Vortixx, die Bewohner Odinas und bekannt für ihre Gerissenheit... Hahli wusste, sie waren Metru Nui in Sachen Technik weit voraus... vor allem wenn es um Waffen geht.

„Hahli, darf ich dir vorstellen, Sidorak“ -er deutete auf den Horn-Vortixx, der Hahli jedoch nur einen kalten Blíck schenkte, als ob er nichts mit ihr zu tun haben will- „und Roodaka.“ Die andere Vortixx schaute Hahli nicht mal an, als wäre sie gar nicht mal hier. „Sie sind die beiden Anführer der Odina-Waffenfabriken“, stellte Dume sie vor und Hahli fühlte sich, als würde sie in eiskaltem Schnee liegen... Vhisola hatte ihr von seinen Kriegsplänen erzählt und jetzt hatte Dume zwei Vortixx angeheuert, die ausgerechnet berüchtigt für die Herstellung von Waffen sind... Hahlis ganzer Körper füllte sich mit Angst, es war wie ein Gift, dass ihren ganzen Körper zittern ließ.

„Wie du vielleicht mitbekommen hast, Hahli, wurden in letzter Zeit eine Vielzahl von Verrätern gestellt. Eine einzige Schande, die, die sich als Verfechter Likhans ausgeben, dass sie ihr ganzes Volk und ihre Freunde betrogen.“

Hahli sagte nichts, sie musterte nur die beiden Vortixx, die ihr immer noch keinen Blick würdig sind.

„Ich fürchte mich zurecht um meine Sicherheit, wer weiß, wie weit dieser Abschaum noch geht. Deshalb habe ich Roodaka und Sidorak beauftragt, eine Kampfeinheit zu entwickeln, die mir und all denen Schutz gewähren, die Metru Nui noch treu sind.“

Hahli schluckte unbemerkt. Sie wollte bloß keine Furcht zeigen oder irgendein Anzeichen, dass sie Dume nicht ununterbrochen loyal ist. „Roodakas kaltblütiger Ideenreichtum und Sidoraks kühner Umgang mit Protodermis und Rahi-Biestern, hat uns auf die Idee gebracht, Visorak-Spinnen mit Vahki-Technologien zu kreuzen.“ Dume sprach so finster wie immer, doch es war vielmehr das, was er sagte, dass Hahli einen stechenden Schmerz zuführen ließ. Er wollte tatsächlich hilflose Rahi quälen und sie ihrer Freiheit berauben, nur damit er seine Pläne durchsetzen kann... und jeden Widerstand zerschlagen kann. Hahli mühte sich, vor Schmerz nicht zu fiepsen, doch an dem düsteren Blick Roodakas bemerkte sie, dass die Vortixx Verdacht schöpfte. Wesen ihrer Art waren es gewöhnt niemanden zu vertrauen und bei jedem Zweifel nicht davor zu zögern, ihre Feinde zu erstechen.

„Wir wissen, dass im Onu-Metru-Archiv eine Vielzahl von Visorak beheimatet sind. Nun können wir nicht einfach dort einbrechen, wir brauchen erst... eine Zustimmung.“ Er reichte Hahli eine Steinplatte. „Und natürlich auch deine Einverständnis als linke Hand des Oberhaupts.“ Hahli nahm die Steinplatte in der Hand und las sie langsam vor:

Hiermit erklärt das Unerreichbare Oberhaupt Turaga Dume den Vortixx Sidorak und Roodaka freien Zugang zu den Visorak-Nestern im Onu-Metru-Archiv. Diese Einwilligung erfolgt mit dem Einverständnis der linken Hand Dumes, der Ga-Matoranerin...

„Du musst nur deinen Namen hinschreiben“, sagte ihr Dume. Doch Hahli bekam auf einmal keine Luft mehr. Ihr Atmen war nichts weiteres als ein aufgebrachtes Keuchen und ihr Kopf schmerzte, dass sie das Gefühl hatte, er würde platzen. Sie musste unterschreiben, sie war dazu gezwungen... sie musste ein Verbrechen einwilligen... und wegen ihr würden am Ende tausende von Visorak-Spinnen schreckliche Qualen durchleiden... Aber Hahli wusste... Roodaka und Sidorak würden ihr den Kopf abschneiden, wenn sie ihren Namen nicht aufschreiben würde. Es musste doch eine andere Lösung geben, könnten die Vortixx nicht auch ohne ihre Erlaubnis in das Archiv einbrechen? Monster wie sie brauchen doch keine Einverständnis einer verschlossenen Ga-Matoranerin... Was sollte Hahli jetzt nur tun? Sie hielt den Meißel in der Hand und schaute auf die Steinplatte vor ihr... Sollte sie wirklich sterben, nur um die Rahi vor Qualen zu schützen? Doch was würde das bringen? Dume hätte damit nur eine weitere Gegnerin aus dem Weg gebracht...

„Was ist?“, fauchte Roodaka in dem grässlichsten Ton, den Hahli je gehört hatte... dagegen klang das Wiehern einer Mata-Nui-Kuh wie ein traumhafter Gesang...

Hahlis Herz pochte unüberhörbar... Sie musste es tun... sie musste unterschreiben... Sie hatte keine andere Wahl. Schnell, und ohne hinzugucken meißelte sie ihren Namen in die Steinplatte und nahm so hastig die Finger von ihr, als wäre sie heiße Lava.

„Vielen dank!“, sagte Sidorak, dessen Stimme sich anhörte wie die eines Feuerbären. Dume nahm daraufhin die Steinplatte und musste wieder hämisch lachen... dieses Mal hatte vielleicht er gewonnen... doch noch ist dieser Kampf nicht entschieden.

* * *

Es war wieder eine klare, ruhige Nacht in Ga-Metru. Hahli ging gerade von ihrer Arbeit zurück in ihre Hütte, an den Seen und Schnee-Türmen vorbei... Sie versuchte nicht an das zu denken, was heute passiert ist, was sie getan hatte... sie konnte einfach nicht anders... es war die einzige Möglichkeit gewesen...

Als die Matoranerin in einer Kurve abbog, sah sie ihre Hütte – doch da schien schon jemand drin zu sein. Die Tür stand halb offen und sie konnte genau erkennen, wie das Licht einer Fackel ihre Behausung beleuchtete. Ohne darüber einen Gedanken zu verlieren, rannte sie los, wer könnte nur in ihr Haus eingebrochen sein? Und plötzlich... es hätte doch Dume sein können... vielleicht war ihre Unterschrift nicht genug gewesen und nun hatte er sie wieder aufgesucht? Ihre Beine schmerzten schon und sie keuchte wie ein Gafna, als sie ankam und die Tür aufriss – doch es war nicht Dume, der in ihrem Haus war.

Es war Vhisola – und sie war nicht alleine. Vier weitere Matoraner quetschten sich in dem kleinen Raum und Hahli hatte sofort erkannt, um wen es sich handelte: Die Mitglieder der RaHi. Und sofort fiel Hahlis Blick auf Macku, die ihre Angelrute gemustert hatte und merkwürdige Lieder vor sich her summte. Vhisola saß auf ihrem Bett, und um sie herum ein Ta-, Po- und Le-Matoraner.

„Hahli“, bemerkte Vhisola ihre Freundin und alle Blicke huschten zu der Ga-Matoranerin hinüber. Erst jetzt fragte sie sich, warum Vhisola und die RaHi-Mitglieder überhaupt in ihre Hütte eingebrochen sind.

„Oh, Hahli!“, sagte Vhisola, sprang von ihrem Bett und umarmte Hahli. „Tut mir leid, dass wir einfach so in deine Hütte rein geplatzt sind, aber es war wichtig!“ Die Matoranerin ignorierte ihre Aussage fürs Erste und schaute die Matoraner der Reihe nach an... sie kannte nicht mal ihre Namen...

„Das ist Kalama“ -der Ta-Matoraner verbeugte sich leicht- „der Le-Matoraner heißt Vira und das ist Ally“, stellte Vhisola Hahli die RaHi-Mitglieder vor, als könne sie ihre Gedanken lesen. „Ach ja, und das ist-“

„-Macku“, beendete Hahli den Satz für Vhisola und Macku schaute mit einem breiten Grinsen zu der Ga-Matoranerin hinüber, ehe sie dann wieder laut kichern musste.

„Ihr kennt euch also schon. Nun ja, eigentlich geht es um den Widerstand gegen Dume. Wir haben mitbekommen, dass er Visorak-“

„Hilflose, arme Visorak!“, berichtigte der Po-Matoraner Ally.

„Wie auch immer. Er will sie zu gewaltsamen Aufpassern umformen und Metru Nui damit nur noch mehr terrorisieren, als dass er es jetzt schon tut!“

Hahli schritt durch ihr Zimmer, gefolgt von den Blicken der Matoraner, ehe sie sich auf ihr Bett mit der Burnak-Fell-Decke setzte.

„Ich weiß“, seufzte sie und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

„Wir als Widerstand und die RaHi als Beschützer der Fauna können das nicht zulassen! Wir müssen Dume endlich überwältigen, wir dürfen nicht warten!“

Hahli antwortete ihr nicht, zu sehr bedrückte sie ihre Tat, wie sie es einfach nur zulassen konnte, dass Dume sich an den Visorak bedient... und dass er die Insel noch weiter in den Untergang führt... Wenn sie doch nur etwas getan hätte, hätte es doch ihr Leben gekostet.

„Der Widerstand zählt nun 17 Mitglieder. Nachdem Dume seine blutrünstigen-“

„Entschuldige, Vhisola, Visorak sind nicht blutrünstig, Dume macht nur etwas Blutrünstiges aus ihnen“, entgegnete ihr Kalama. „Gut, Verzeihung. Jedenfalls, wenn er diese Wesen vorstellt, werden es wohl einige mehr sein, die sich unserem Widerstand anschließen werden.“ Hahli schaute zu Vhisola auf. War sie wirklich so leichtgläubig, so naiv? Hatte sie noch nicht begriffen, wie brutal Dume war?

„Vhisola!“, rief Hahli und stand von ihrem Bett auf. „Denkst du wirklich, er wird damit die Matoraner gegen sich hetzen? Er wird sich schon irgend eine dreckige Lüge ausdenken, sagen, dass die Matoraner und Turaga damit nur eine weitere Instanz haben, die für ihre Sicherheit sorgt und sie vor uns Verrätern bewahrt. So einfach ist das nicht, Vhisola. Entweder du schlägst bald zu oder er wird es sein, der mehr Mitglieder bekommt.“ Hahli starrte Vhisola in die Augen, die so ausschaute, als wüsste sie nicht, was sie sagen sollte. Sie war sich doch so sicher gewesen – und jetzt...

„Hahli, ja, schon... aber wie willst du an Dume herankommen? Er ist-“

„Sag's du mir doch! Du hast doch den Widerstand ins Leben gerufen!“, Hahli polterte förmlich und sackte mit einem Satz auf ihr Bett. Sie hatte noch nie erlebt, wie sie Vhisola angeschrien hatte und wie sie so sprachlos vor ihr stand...

Stille herrschte in Hahlis Behausung, keiner sagte etwas, keiner regte sich... und Hahli mied Vhisolas angsterfüllten Blick. Doch dann war es Vira, der plötzlich sprach...

„Noch sind seine Visorak-Krieger nicht da... er ist noch alleine und wir sind die einzige Partei, die er noch nicht verboten hat. Wir müssen nur vor dem Kolosseum auf uns aufmerksam machen... demonstrieren... den Matoranern zeigen, dass sie sich verwählt haben... er wird unmöglich alle einsperren können.“ Vira schaute Hahli an, die ihren grimmigen Blick in ihren Händen vergraben hatte.

„Dume ist mächtig“, murmelte sie. „Und er scheut nicht davor, Gewalt anzuwenden. Aber es ist ein Versuch... wir könnten das Kolosseum dann stürmen... mit den Matoranern auf unserer Seite. Ja!“, sagte sie plötzlich und spürte, wie ihr ganzer Frust von ihr fiel. „Früh am morgen, wenn alle zur Arbeit aufbrechen. Das könnte funktionieren, wirklich!“ Hoffnungsvoll schaute Hahli in die Runde und sah, wie sich ein Lächeln auf allen fünf Kanohis breit machte. Und als sie Macku anschaute, dachte sie wieder an den erwarteten Toa... Vielleicht hätte sie Macku danach fragen sollen, aber Hahli war sich irgendwie sicher... Der neue Toa war hier im Raum... und Hahli war überzeugt, Vhisola könnte ihre neue Heldin werden... Anführerin des Widerstandes und Besiegerin Dumes.

„Tut mir leid, Vhisola, dass ich so wütend war“, sagte Hahli dann zu ihrer Freundin.

„Ach“, Vhisola winkte ab und beide umfassten sich noch einmal. „Ich kann verstehen, dass Dume dich zum Wahnsinn führt... aber jetzt wird sich das Blatt wenden...“

Kapitel 14: Rebellion[]

Es war ein Arbeitstag wie immer, auf den Straßen Metru Nuis reihten sich die Matoraner aller Metrus, nur ihre Arbeit im Blick. Hahli musste bei diesem Anblick schmunzeln. Niemand wusste, dass der heutige Tag zu einem Spektakel werden wird, der Tag, an dem Dumes Schreckensherrschaft beendet sein wird, bevor sie überhaupt noch angefangen hatte.

Die Ga-Matoranerin stand mit Ally, Vira, Kapura und Macku auf einem kleinen Felsvorsprung in der Nähe des Kolosseums, den Blick fest auf die Matoraner-Mengen gerichtet.

„Ihr wisst, was zu tun ist“, sagte Hahli und schaute dabei auf Macku, die gerade ein paar rote Blüten einsammelte und hin und her wippte. Doch Hahli war sich irgendwie sicher, wenn jemand den Auftrag verstanden hatte, dann Macku.

„Gut“, sprach Hahli entschlossen, als alle RaHi-Mitglieder ihr zunickten und sie dann ihre Tasche nahm. „Ich werde mich unter die Matoraner mischen.“ Ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben, rutschte sie den Felsvorsprung hinunter und quetschte sich durch die vollen Straßen – als wenn nichts los wäre – als wäre es ein ganz normaler Arbeitstag.

Doch das war er gewiss nicht, Hahlis Plan sah so aus, dass Kapura und Vhisola vor den Kolosseumstürmen anfangen würden, einen Aufstand anzuzetteln, während Vira, Macku und Ally sich zu ihnen gesellen würden.

Ohne weiter darüber nachzudenken, griff Hahli nach ihrer Tasche und schaute hinein: Wie gewohnt lagen ein paar beschriftete Steinplatten und die üblichen Meißel drin, nichts Verdächtiges... aber selbst wenn, Dume würde sie nach dieser Aktion eh nicht mehr bestrafen können. Mit jedem Schritt wurde das Kolosseum immer größer und mit jedem Augenblick wurde seine gewaltige Glasfassade immer deutlicher und die Türme majestätischer. Riesige Tore in Form der Kanohi Hau markierten die Eingänge ins Innere.

Gleich. Gleich sollte es soweit sein. Nur noch wenige Augenblicke. Mit jedem Mal hörte Hahli ihr Herz schneller und lauter schlagen. Ungeduldig schaute sie ständig nach links und rechts, ob sie denn niemand beobachten würde. Die Tore kamen immer näher und noch war kein Anzeichen von Kapura und Vhisola.

„Wo stecken die bloß? Bald sind alle Matoraner abgezogen!“ Hahlis Blick fiel dabei auf die riesigen Beförderungsfahrzeuge in Form von Ussal-Krebsen, die langsam den Kolosseumsplatz verließen. Die Matoranermenge würde also immer weniger werden, wenn nicht gleich-

Krach!

Hahli verschreckte so sehr, dass sie fast umfiel und einem Ko-Matoraner ins Auge schlug. Was war passiert? Hahli schaute in alle Richtungen, zu allen Seiten – und überall sah sie die entsetzten Gesichter, die alle nur auf die hau-förmigen Tore starrten – sie waren zu. Aber wieso? Wer oder was hätte die Tore einfach so zumachen können? Doch als Hahli einen Ta-Matoraner sah, der das Tor hinaufkletterte, wurde ihre Frage schnell beantwortet.

„Das war doch gar nicht so abgemacht“, murmelte Hahli mit Blick auf Kapura. Alle Matoraner starrten nun auf ihn, alle Augenpaare waren auf den Ta-Matoraner gerichtet.

„Matoraner Metru Nuis!“, schrie er so laut, dass nun auch die Letzten zu ihm rüber schauten. Und auf einmal – eine zweite Matoranerin gesellte sich zu ihm – Vhisola.

„Ich bin hier, um euch von dem Verrat Turaga Dumes in Kenntnis zu setzen!“ Ein Raunen ging durch die Menge, alle schwatzten nun aufgeregt vor sich hin, ehe sie Kapura wieder einen ungläubigen Blick schenkten. „Er ist es nicht würdig, Oberhaupt genannt zu werden! Er hat das Parlament gewaltsam aufgelöst!“

„Aber die Parteien hatten sich doch freiwillig zurückgezogen!“, schrie plötzlich ein Matoraner aus der Menge.

„Weil Dume uns Lügen auftischt! Likhans einziger Wille war es, ein Parlament für die Ewigkeit zu schaffen!“

„Eine Alleinherrschaft wurde von ihm nie gewollt!“ Es drang aus der Gruppe von Matoranern – und plötzlich, Hahli sah, wie sich Macku, Ally und Vira durch die Menge bahnten und auf das Tor zu gingen.

„Likhan“, sprach plötzlich Vhisola, „wollte ein Metru Nui, in dem jeder friedlich miteinander reden konnte, mit dem Oberhaupt einen diplomatischen Dialog führen konnte. Dume handelt nicht nach Likhans Wunsch! Er verlangt von uns, dass wir nur ihm gehorchen und niemand anderem. Dass wir seine Befehle ausführen. Aber was am aller... grässlichsten, schrecklichsten und widerwärtigstem ist...“ Vhisola stoppte kurz... Aber nicht, weil sie sich überlegte, was sie sagen sollte... sondern weil etwas giftgrün schimmerndes auf das Tor zuflog...

Wamm!

Ein Aufschrei in der Menge, alle Matoraner rannten von dem Tor weg, rempelten sich an, sie wollten weg von hier. Hahli wusste nicht mal was los war, sie hatte nicht mal Zeit sich die Situation näher anzusehen, sie wurde einfach mitgerissen von den panischen Matoranern... das einzige was sie sah, war, dass das Tor nicht mehr da stand... Und von einer Sekunde zur nächsten...

„Beruhigt euch, Matoraner!“

Hahli kannte diese Stimme, sie war kalt und doch klang sie merkwürdigerweise überfreundlich... wie einst, als dieses Wesen sie zu seiner linken Hand ernannte.

Dume schritt durch die Menge und augenblicklich verstummten die Matoraner, sie machten halt und blickten in Richtung Dume. Vor ihm wichen alle Matoraner zur Seite, dass er auf das zerstörte Tor zulaufen konnte... Aber der Turaga war nicht allein, hinter ihm standen zwei Wesen, die Hahli in der Gestalt noch nie vorher gesehen hatte... Ihre Körper waren mechanisch, in ihren Klauen hielten sie messerscharfe Werkzeuge und ihre Köpfe – waren die eines Visorak.

Hahlis Herz blieb förmlich stehen, als sie die zwei Wesen sah – es war also passiert, Dumes Aufpasser waren bereits fertig... und vielleicht stand der Untergang jetzt sogar bevor. Das Tor zum Kolosseum, erst jetzt erkannte Hahli, dass es nur noch Schutt und Asche war und darunter waren Vhisola und die RaHi-Mitglieder begraben.

„Es gibt keinen Grund zur Sorge!“, rief Dume dann und wandte sich an die Menge an Matoranern. „Glaubt diesen Dieben kein Wort, sie sind getrieben von Eifersucht... und Rache. Vertraut mir, denn ich weiß, wer die wahren Feinde sind.“ Er hatte gerade seine letzte Silbe ausgesprochen, da beherrschte grenzenloser Jubel die Menge, sie alle johlten und kreischten, sie klatschten und feierten Dume.

Hahli wusste jedoch nicht, was sie nur denken sollte – jetzt hatte sie und Vhisola endgültig verloren – Dume hatte nicht nur seine Visorak-Krieger, sondern auch die Matoraner auf seiner Seite. Und der Widerstand – da lag er, zwischen Schutt und Asche.

„Wir werden diese hinterlistige Brut bestrafen! Sie bekommen einen Prozess, doch ihr Untergang soll jetzt schon besiegelt sein! Sie sollen die Schmach spüren, die sie verdient haben! Die, die dachten sie können das Volk hintergehen!“ Noch einmal schreiten alle Matoraner voller Freude.

„Und mit großem Stolz darf ich euch eure neuen Beschützer vorstellen. Die Vahirak!“ Dume deutete auf die zwei visorak-ähnlichen Wesen, die nur regungslos dastanden und die Matoraner fixierten. „Dank der von den Vortixx entworfenen Vahki-Technologien können diese euch grenzenlose Sicherheit und Schutz vor den Feinden Metru Nuis gewähren!“

Jubel, grenzenloser Jubel. Gekreische und „Dume“-Rufe. Metru Nui schien verloren zu sein.

„Vahirak, nimmt diesen Abschaum mit ins Kolosseum!“ Hahli sah, wie die zwei Kreaturen erst Kapura, dann Macku, Vira und Ally zwischen ihre Klauen nahmen und mit Dume und der Menge ins Kolosseum gingen – doch Vhisola war nicht dabei.

Als die Matoraner langsam abgezogen waren, rannte Hahli so schnell sie konnte zu den Toren. Sie wusste nicht, ob sie sich entweder freuen sollte, oder in grenzenloser Angst schwelgen sollte – die Vahirak hätten Vhisola einerseits übersehen können, andererseits ist Vhisola ja auch... tot.

Hahli grub den ganzen Schutt aufgeregt zur Seite, schmiss hier und da ein loses Protodermis-Teil zur Seite, bis... die blaue Kanohi Vhisolas.

„VHISOLA!“, schrie Hahli und sie merkte dabei, wie ihr immer kälter wurde. Vhisola lag da, begraben zwischen Steinen und Asche, die Augen geschlossen. „Nein!“, piepste Hahli und merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stachen. Doch dann...

„Ha... Hahl...“

„Vhisola!“

„Hahli“, brachte sie es gerade noch aus sich heraus und musste laut husten. Hahli überlegte nicht lange, sie nahm ihre ganze Kraft und räumte die zerstörten Teile weg, es war ihr egal, dass sie sich dabei eine Wunde zuführte. Ihr war jetzt alles egal.

Und dann endlich, sie hatte Vhisola befreit, sie nahm ihre Freundin langsam in den Arm und trug sie aus dem Schutthaufen.

„Vhisola, sag bitte, du fühlst dich gut“, schluchzte Hahli und sah ihr tief in die leuchtenden Augen. „Hahli...“

„Ja?“ Die Ga-Matoranerin keuchte wie ein Kane-Ra.

„Bring' mich zu deiner Hütte... ich brauche Ruhe...“

Ohne zu zögern hatte Hahli sie um die Schultern gepackt und brachte sie halb weinend nach Ga-Metru, wo sie Vhisola auf ihr Bett legte. Ihr ganzer Körper war voller Staub und ihre Kanohi hatte einen kleinen Riss bekommen.

„Hahli“, sagte sie dann erneut. „Du musst zurück ins Kolosseum. In meinem Zimmer“ - sie hustete laut - „befindet sich eine Flasche mit einer violetten Flüssigkeit... Bitte... bring' sie mir.“

Hahli konnte nur nicken, es war ihr jetzt egal, wieso Vhisola gerade das von ihr verlangte oder wozu das gut sei... doch wenn es ihr helfen würde, würde sie selbst mit einem Kofu-Jaga kämpfen.

* * *

Hahlis nervöse Schritte hallten in dem dunklen Kolosseumsgang wieder und sie japste so laut und aufgeregt, dass man das Gefühl bekam, ihr ärgster Feind würde sie verfolgen. Mühsam rannte sie durch die stockfinstere Halle und versuchte dabei nicht gegen eine plötzlich aus der Dunkelheit auftauchende Säule zu laufen. Hahli ignorierte dabei die vielen Wassertropfen oder die Manas-Fliegen, die im Kolosseum surrten oder die Jubelschreie, die aus der Kolosseumsarena drangen... Die Matoranerin versuchte nicht an die RaHi-Mitglieder zu denken, wollte sich gar nicht erst ausmalen, was Dume mit ihnen vorhatte oder... ob sie schon bald nicht mehr leben werden.

Hahli schüttelte vehement den Kopf, dass ein stechender Schmerz ihren Schädel brummen ließ. Nein, es war nicht möglich, so skrupellos Dume auch war... er durfte doch einfach keine Matoraner töten lassen... Je mehr Hahli die Bilder von den winselnden RaHi-Mitgliedern durch den Kopf flogen und je mehr sie in Gedanken Dumes Lachen hörte, desto lauter musste sie schluchzen und desto mehr stießen ihr Tränen in die Augen... Der Widerstand... er war missglückt... Metru Nui war so gut wie verloren und wer es jetzt noch wagte, Dume in den Weg zu kommen, würde schneller bestraft werden, als er es sich nur vorstellen konnte.

Hahli rannte, rannte immer schneller bis sie Seitenstechen hatte und ihre Lunge sich anfühlte wie ein glühender Feuerball. Sie ging weiter und – da war sie! Die Tür zu ihrer Kammer, in der auch Vhisola vorher tätig war. Hahli riss die hölzerne Tür auf und rannte zu einem sechseckigen Schrank in einer hinteren Ecke des Raumes. Sie hatte diesen schon immer nicht beachtet, doch in diesem Schrank war das drin, was Vhisola jetzt ausgerechnet am meisten brauchte... dieses eine Fläschchen... mit dieser Flüssigkeit.

Hahli stieß die Schranktür auf und musste laut husten, als eine Staubwolke aus dem Inneren entwich und ihr die ganze Sicht versperrte. Mit einer raschen Handbewegung löste sie den Staub auf und sah in den Schrank: Haufenweise Steinplatten und Bücher türmten sich im Inneren... doch wo war die Flasche? Hahli nahm einfach alles aus dem Schrank auf, riss die Aufzeichnungen zur Seite, zerschmetterte die Steinplatten, bis... ganz hinten befand sie sich, das kleine Fläschchen mit dem purpurnen Inhalt. Windeseilend packte Hahli es und rannte ohne zu zögern sofort wieder los, nur raus aus dem Kolosseum, zurück zu Vhisola...

Sie hatte bereits die dunklen Gänge verlassen und ging gerade auf den Ausgang zu, als im nächsten Moment... Jubelschreie... Die Gerichtsverhandlung war also voll im Gange... und sie musste nicht weit von der Arena entfernt sein... Flüchtig schaute Hahli in beide Richtungen... auf der einen Seite war der Ausgang und Vhisola... auf der anderen Seite war die Arena und die RaHi-Mitglieder. Wo sollte sie nur lang? Vhisola brauchte diese Flüssigkeit vielleicht dringender denn je, aber... sie hätte es nicht ertragen können, die ganze Zeit darüber zu spekulieren und nachzudenken, was mit Vira, Kapura, Macku und Ally passiert ist... sie wollte sich davon überzeugen, was mit ihren Freunden geschieht und vielleicht... vielleicht hätte sie ihnen zur Hilfe eilen können, schließlich war Hahli immer noch die linke Hand Dumes.

Höre auf dein Herz Hahli... es ist die Schublade deiner Bestimmung... Es war wieder diese Stimme, sie wusste nicht, ob es sich in ihrem Kopf zutrug oder ob ein Nynrhia-Geist sie ständig verfolgen würde. Aber das spielte jetzt keine Rolle, sie rannte in die Arena.

Die Jubelschreie der Matoraner wurden immer lauter und Hahli sah, wie die Gänge immer heller wurden... das Arenalicht, es war also nicht mehr weit... und plötzlich, da war es – ein Eingangstor in Form einer Ruru, und dahinter, die Arena. Hahli lehnte sich gegen das Tor und schaute in das Innere hinein – und unübersehbar, die RaHi-Matoraner, in der Mitte des riesigen Feldes, umkreist von einem Dutzend Vahirak. Das Kolosseum, es war fast bis auf den letzten Sitz gefüllt und oben auf dem Balkon war wie gewohnt Turaga Dume, den alle großen Bildschirme in der Arena zeigten. Als diese jedoch kurzzeitig auf die gefangenen Macku, Ally, Kapura und Vira huschten, verschmähten die Matoraner sie mit entrüsteten Blicken und pfiffen sie aus.

„Verräter!“

„Diebe!“

„In die Grube mit ihnen!“

All das kam Hahli zu Ohren, all dieser Spott, dieser Hohn... nur, weil die RaHi versucht hat, das Volk aus den Fängen Dumes zu befreien.

„Matoraner Metru Nuis, ich setze euch in Kenntnis, dass es sich bei diesen Verbrechern um die vier Vorsitzenden der RaHi-Partei handelt“, fing Dume an zu reden, seine Stimme war dabei ungewohnt ruhig.

„Sie werden wegen Hintergehung und Verrat an mir, Oberhaupt Dume, und an dem Volk Metru Nuis angeklagt. Was wollt ihr dem noch entgegnen, Diebe?“

Hahli konnte es nicht fassen, wie erbarmungslos Dume sie anfauchte, er ließ ihnen förmlich keine Verteidigung übrig.

„Ihr seid wohl derjenige, der hier das Volk betrügt!“ , schrie Vira voller Entsetzen und ihm zur Antwort kam lauter Spott der Matoraner. Dume konnte indes nur kalt lachen.

„Wo sind eure Beweise, ich handle nur im Namen Likhans.“

„Nichts tut Ihr!“, polterte Kapura dann. „Wenn Ihr Likhan treu ergeben seid, hättet Ihr uns nie gefangen genommen, sondern unsere Probleme mit Euch im friedlichen Gespräch gelöst!“

Doch auch darauf war Dumes einzige Antwort ein hähmisches Grinsen.

„Mit Rebellen wie eurer Partei lässt sich nicht friedlich reden. Vahirak, schafft sie weg!“

Hahlis Herz blieb stehen. Was sollte jetzt mit den vier Matoranern geschehen, wohin würde Dume sie hinbringen? Hahli spürte ihre brodelnde Wut in ihrem Bauch, als die Gruppe Vahirak ihre Klingen ausfuhr und bedrohlich auf die RaHi-Partei zuging. Jetzt war wohl ihr Ende besiegelt... und mit jeder Sekunde kamen sie näher, wie auch ihr Untergang... Doch dann...

„Halt!“

Es war die Stimme Mackus, die sich kaum mehr so piepsig anhörte, sondern eher kratzig, wie Hahli es noch nie von ihr gehört hatte. Die Vahirak hielten daraufhin an und hatte die Menge an Matoranern gerade noch höhnisch geklatscht, waren jetzt alle Augenpaare auf Macku gerichtet und auch Dume schenkte ihr einen aufgebrachten Blick. „Sprich, elendige Verbrecherin“, sprach er und Macku trat hervor.

„Bevor Ihr uns einsperren werdet, sollte Euch einst bewusst sein... Es wird einen neuen Toa geben!“

Sie sagte es so unverhofft, so unerwartet... Die Tribünen wurden nur noch von einem aufgeregten Gerede beherrscht, alle schwatzten mit jedem. Und Dume hatte die Augen ausgeweitet und starrte nur auf Macku.

„Was sagtest du da?“, fauchte er, als hatte Macku ihm seinen Untergang prophezeit.

„Ein neuer Toa wird bald auf Metru Nui erscheinen. Vor wenigen Wochen erschien ein Boten-Stern am Himmel... und er war blau! Die neue Wasser-Toa wird euch noch -“

Macku konnte nicht zu Ende sprechen. Denn ein lautes „Schafft sie weg!“ Dumes führte dazu, dass die Vahirak ihnen Energie-Fesseln anbrachten und von einer Sekunde zur nächsten verschwand die Plattform, wo gerade noch Macku, Kapura, Vira und Ally standen und senkte sich tief in die Katakomben Metru Nuis...

Hahli konnte das nicht länger mit anschauen, sie wendete ihren Blick in die matt beleuchtete Halle... Ihr ganzer Kopf schmerzte vor Gedanken, da war Macku, die den neuen Toa erwähnt hatte... Sie würde also bald kommen und wenn es tatsächlich Vhisola war...

„Beim Horn des Kikanalo!“, flüsterte Hahli plötzlich und nahm das Glasfläschchen in ihre Hand... hätte diese Flüssigkeit... hätte sie nicht die Reste eines Toa-Steins sein können? Wollte Vhisola diese Flüssigkeit, nur damit sie zu einer Toa wird und Dume nun endgültig besiegen konnte? Und wenn ja, warum hatte Vhisola das nicht einfach früher gesagt... war sie sich ihrer Bestimmung noch nicht bewusst?

Eine Frage nach der anderen berste durch ihren Schädel, doch Hahli stand nun nicht mehr länger in dem ruru-förmigen Eingang... sie war wieder am rennen, zurück nach Ga-Metru, in ihre Hütte, zu Vhisola...

Kapitel 15: Das Gift des Kofu-Jaga[]

Die vielen Schneehütten, die Wasserfälle und das Meer Ga-Metrus rauschten nur so an Hahli vorbei, als sie hastig die schmuckverzierten Brücken und Stege ihrer Heimatstadt entlang hetzte. Das Fläschchen mit der violetten Flüssigkeit hielt sie immer noch fest im Arm und ihr Blick war nur auf ihre kleine Hütte gerichtet, die auf einmal am Horizont erschien.

„Gleich, Vhisola“, murmelte Hahli und hatte Probleme, jedes ihrer Worte auszusprechen, denn ihre Kehle fühlte sich an wie zu Staub zermahlen und ihre Lunge war immer noch der brennende Feuerball. Sie spürte, wie jeder ihrer Schritte wehtat, jedes Mal stieß ein fürchterlicher Schmerz in ihre Beine, fast so, als würde ein Kikanalo sie auseinanderziehen. Ihre Füße hingegen hätten schon längst glibbrige Protodermis gewesen sein können... Aber Hahli ignorierte all ihr Ziehen, all diese Pein, sie versuchte gar nicht erst zu reagieren, wollte nur weiter rennen, zu ihrer Hütte.

Und von Sekunde zu Sekunde wurden die Konturen des Schneehäuschen immer deutlicher und deutlicher. Hahli rannte noch schneller, selbst wenn ihre Beine in dem Moment so sehr schmerzten, dass sie sich einen lauten Schrei nicht verkneifen konnte.

„Bloß... nicht... stolpern“, keuchte die Matoranerin aus sich hervor, denn wenn sie jetzt tatsächlich umfallen würde... wer weiß, ob sie dann noch hätte aufstehen können... oder was mit dem Fläschchen passieren würde...

Plötzlich standen Hahli Tränen in den Augen, der aufkommende Wind war wie Millionen von Pfeilspitzen, die ihre Rüstung durchstachen und sie durchbohrten. Hahli brannte, Hahlis ganzer Körper brannte und die Pein war das Feuer... Ihre Sehkraft schwand plötzlich, wo gerade noch ihr Haus immer schärfe wurde, sah sie nichts mehr als einen grauen, verschwommenen Fleck. Hastig rieb sie sich die Augen, als sie dann plötzlich vor ihrer Tür aufstand, mit ihrer letzten Kraft das Tor aufbrach und in ihre Hütte stürmte.

„Vhi-“, wollte Hahli gerade überrascht den Namen ihrer Freundin sagen, die auf einmal kerngesund in ihrer Hütte hin und her streifte, als wäre sie nicht vor einigen Stunden unter einem Schuttberg begraben gewesen. Doch Hahli konnte nichts mehr sagen, nur ein weiteres Wort und sie würde umfallen wie ein entwurzelter Baum.

„Hahli!“, bemerkte Vhisola die hustende Hahli, die sich gegen ihre Hüttenwand lehnte, „Hast du das Fläschchen?“ Hahli reichte ihr die Flasche mit der violetten Flüssigkeit, ehe Vhisola sie schnappte wie ein Gafna einen Käfer und diese musterte und von allen Seiten her beobachtete. Nur zu gern wollte Hahli nachfragen, ihr lagen die Worte schon auf der Zunge... Was war diese Flüssigkeit und wozu war sie gut? Oder, was noch viel interessanter war, würde in den nächsten Minuten Toa Vhisola vor der hechelnden Hahli stehen?

„Vsola“, brachte Hahli mit einem lauten Huster aus sich heraus. „Was das?“

„Oh, du meinst die Flüssigkeit?“

Hahli nickte ihr zur Antwort und kassierte dafür den Schmerz in ihrem Nacken.

„Das“, Vhisola schaute in alle Seiten und kam näher an Hahli heran, sodass nur sie sie hören konnte und niemand anders, „ist das Gift einer seltenen Kofu-Jaga-Art.“

„Gift?“, hatte Hahli gestottert und schaute Vhisola nicht in die erwartungsvollen Augen. Hahli hatte alles vermutet, aber dass das Gift sein könnte? Wozu brauchte Vhisola dieses so unbedingt?

„Wie du vielleicht weißt, findet morgen das Akilini-Turnier statt. Und mit großer Sicherheit wird Dume auch da sein.“

Hahli schüttelte langsam den Kopf – sie wusste schon, worauf Vhisola hinaus will, sie wusste, was sie tun wollte und vor hatte.

„Das kannst du nicht machen“, sagte Hahli und hatte sich etwas erholt, längst brannte ihre Lunge nicht mehr, dafür schlug ihr Herz immer noch wie verrückt – aber sie wusste nicht ob von der Lauferei oder von Vhisolas hässlichem Plan.

„Hahli, uns bleibt nichts mehr anderes übrig, er hat jetzt endgültig die ganze Insel auf seiner Seite, alle Parteien sind weg! Wir müssen ihn ausschalten, ein für allemal!“

Hahli hatte daraufhin nicht geantwortet, sie schaute zu Boden. Natürlich hatte Vhisola Recht, jeglicher Widerstand wäre bei Dumes Anhängerschaft ein Selbstmordkommando gewesen. Dafür ist er bereits zu mächtig und die Matoraner, das Volk – Hahli bezweifelt, dass sie sich noch überreden lassen werden.

„Aber... du wirst dadurch nicht besser als er, wenn... du ihn damit tötest...“

Vhisola musste laut lachen – Hahli hoffte, dass der Schutt sie nicht wahnsinnig gemacht hat.

„Hahli, ich will ihn doch nicht töten! Dieses Gift löst einen langen Schlaf aus, wir nehmen ihn einfach außer Gefecht und dann haben wir genug Zeit ihn in die Grube zu verfrachten. Und du als linke Hand, er vertraut dir, Hahli! Du hast Zugang zu ihm!“

Erneut gab Hahli ihrer Freundin Vhisola keine Antwort – allerdings musste sie gestehen, dass sie Recht hatte. Und dass ihr Plan doch nicht so widerwärtig war, wie sie erst annahm. Dume einfach ausschalten, ohne ihn zu töten, ihn in Schlaf versetzen...

„Ich bin dabei!“

* * *

Hahli und Vhisola trotteten die lange Straße zum Kolosseum entlang, wo sich bereits unzählig viele Matoraner versammelt haben und sich um die Tore drängten. Hahli hatte das Gift fest in den Händen und musterte erneut die violette Flüssigkeit.

„Also“, erklärte Vhisola ihr den Plan. „Dume wird sich auf dem Balkon befinden, du gehst einfach zu ihm hin und plauderst mit ihm über uns Verräter und den ganzen Abschaum.“ Hahli hätte für gewöhnlich an dieser Stelle leise gekichert – doch dafür war sie zu konzentriert, in Gedanken ging sie die einzelnen Schritte genau durch... und ihr Magen knurrte vor Aufregung, als sie sich sah, wie sie Dume das Gift in die Kanohi Kirill warf. „Du stimmst ihn ganz fröhlich, dass er nicht mal im Ansatz vermutet, du willst ihn mit Kofu-Jaga-Gift nieder strecken. Und dann, dann wartest du auf den passenden Moment und schüttest ihm die Brühe in seinen kalten Blick. Verstanden?“

Hahli nickte nur kurz und schaute sich das Fläschchen noch einmal genau an... Wie davon das ganze Schicksal Metru Nuis abhängig ist... wie allein damit Dume heute gestürzt werden sollte. Hahli wurde immer mulmiger, je mehr sie daran dachte, sie, sie allein sollte Dume besiegen... Sie dachte dabei nicht mal daran, dass Dume sie vielleicht ertappen könnte... dass am Ende doch wieder alles schief gehen könnte und auch Hahli endgültig nichts mehr gegen Dume anrichten könnte. Hahli musste laut schlucken, doch sie versuchte, ihre Angst zu unterdrücken, sie durfte nicht an all die möglichen Missgeschicke denken... Sie will wieder auf einem freien, gerechten Metru Nui leben... Und dafür musste Dume gestürzt werden.

„Oh nein!“

Hahli drehte sich zu Vhisola um, die auf die Kolosseumseingänge deutete. Hahli bewegte ihren Kopf in Richtung der hau-förmigen Tore – und musste stutzen: Eine Horde Vahirak bewachte die Eingänge und kontrollierte jeden Matoraner, der ins Kolosseum stürzen wollte.

„Wie sollen wir da nur reinkommen ohne einen Kampf anzuzetteln?“, murmelte Hahli besorgt und schaute wieder zu Vhisola – doch die war schon längst am rennen.

„Komm mit!“, schrie sie Hahli hinterher und Hahli folgte ihr verdutzt, was hatte ihre Freundin nun wieder vor? Minuten später kamen beide an einem abgelegenem Hügel an und Hahli beobachtete Vhisola, wie sie einen kleinen Felsen zur Seite trug.

„Als ehemalige linke Hand Likhans kennt man so einige Geheimgänge ins Kolosseum“, schilderte Vhisola und Hahli musste die Arme verschränken.

„Wieso hast du mir davon nichts früher gesagt? Und ich quäle mich die ganze Zeit auf dieser langen, vollen Straße?“ Die Ga-Matoranerin konnte nur leise lachen, als unter dem Stein ein Loch zum Vorschein kam, das in einen dunklen, matt beleuchteten Raum führte. Hahli und Vhisola sprangen mit einem Satz hinein und folgten dem langen, kalten Tunnel.

„Der führt uns eine Etage unter dem Oberhauptsbalkon hin. Könnte also ein kurzes Spiel werden.“

Mit jedem Tritt hörte Hahli die vielen Jubelgeräusche der Matoraner und Turaga immer lauter, wie sie vom Kolosseum her hallten... kein Wunder, das Akilini hat das Volk Metru Nuis schon immer begeistert und tut es auch jetzt, selbst wenn ein hinterlistiger, blutrünstiger Turaga wie Dume an der Macht ist.

„Erinnerst du dich noch, als wir ständig das Akilini-Turnier besucht haben?“, fragte Hahli, als sie sich dem Ausgang immer näherten. Vhisola musste matt schmunzeln und schaute ihrer Freudin in die Augen.

„Ja, ja... das waren noch glückliche... friedliche Zeiten. Machen wir, dass diese heute zurückkehren!“ Während in Hahlis Kopf noch einmal die tosenden Matoraner-Mengen durch den Kopf rasten, wie sie und Vhisola dazwischen saßen, gejubelt haben und die Flagge Ga-Metrus im Wind wehten ließen... damals hatte Metru Nui den Namen „Paradies“ wirklich verdient, egal, wo man hinging, alles war idyllisch und ruhig, jeder Tag war einer zum genießen, egal, ob man im Kolosseum arbeitete, in den Maskenschmieden Ta-Metrus oder Kanokadisk-Werfen spielte oder einfach nur einsam im goldenen Strand Ga-Metrus lag... Alles war schön, alles war hinreißend... Und Hahli will sich dieses Paradies nicht nehmen lassen, Hahli will den Glanz dieser Stadt zurück, sie möchte nicht jeden Tag als einen Überlebenskampf wahrnehmen. Fest und entschlossen ballte sie ihre Hand zu einer Faust, als Vhisola an einer großen, steinernen Tür ankam und sie leise und sacht zur Seite schob. Sie lugte mit ihrem Kopf durch den Torschlitz. „Niemand da, alle scheinen in der Arena zu sein“, flüsterte sie und riss die Tür auf, sodass beide in den Kolosseumsgang eindrangen. Gerade hallte ein lautes Stöhnen durch die Halle.

„Ah ja, das Akilini! Kann einen manchmal auch ziemlich frustrierend machen“, bemerkte Vhisola und beide liefen den Gang hinunter, wo aus der Dunkelheit plötzlich eine steinerne Treppe heraus ragte.

„Da ist sie!“, rief Vhisola leise und deutete mit einem Fingerzeig auf die Treppe, die zum Oberhauptsbalkon führte.

„Jetzt liegt es an dir.“ Mit einem leisen Seufzer nahm Vhisola Hahli in den Arm, die das Fläschchen mit dem Gift immer noch fest umschlossen in der Hand hielt.

„Mach diesen Tag zu einem Feiertag.“ Vhisola klang fast schon besorgt, als wäre sie ebenfalls aufgeregt gewesen, als würden ihr genauso wie Hahli die ganzen Probleme dieser Aktion durch den Kopf fliegen... wenn sie nur wüsste, wie sehr Hahlis Magen sich vor Aufregung zusammen krempelte... Die Matoranerin zitterte am ganzen Leibe, ihr ganzer Körper, eine Eisschale... Sie fühlte sich wie nach einer Wanderung durch Ko-Metru, als würde sie im Schnee schlafen... Ihr Herz schlug und schlug, konnte nicht aufhören, ihre Beine waren wie glibbrige Protodermis, sie konnte sich kaum mehr halten... Angst und Furcht machten sich in ihrem Körper breit, eroberten jede einzelne ihrer Körperzellen.

„Hahli“, sagte Vhisola dann matt, „habe keine Angst. Denk nur an die Freiheit, die wir danach haben werden, denk nur an unsere Befreiung, denk an unser zurückgewonnenes Paradies... Wenn du es nicht tust, ist Metru Nui verloren... für immer...“

Hahli senkte den Blick noch einmal zu Boden und die Worte Vhisolas hallten ihr durch den Kopf... und ja... irgendwas war plötzlich anders... Sie wusste nicht was, aber sie wollte nur noch die Treppe hochgehen, hinauf zu Dume und Metru Nui befreien...

„Wir sehen uns... als freie Matoraner...“ Mit diesen Worten schritt Hahli die Treppe hinauf und sah dabei Vhisolas hoffnungsvollen Blick nicht, sie ging die Stufen hinauf und mit jedem Tritt wurde der Oberhauptsbalkon immer deutlicher, das Licht des Kolosseums immer greller... und die Gestalt Dumes... Da stand sie, in seinem Turaga-Mantel, seinen Stab in der Hand und seinen Blick nur auf das Geschehen im Kolosseum gerichtet. Hahli atmete noch einmal tief durch und hielt die Flasche noch fester in den Händen, als sie es ohnehin schon tat. Gerade wollte sie etwas sagen, gerade, als sie oben angekommen war, doch Dume kam ihr zuvor, als hätte er auf seinem Rücken Augen.

„Hahli, wie nett, dass du mir Gesellschaft leistest“, er drehte sich um und schaute die Ga-Matoranerin mit seinem falschen Lächeln an.

„Nun, ich habe dich gestern gar nicht im Kolosseum gesehen. Wo warst du?“

Hahli stockte – sie musste ihm eine Lüge auftischen. „Oh, nun... ich habe mich gestern nicht wirklich wohl gefühlt, Oberhaupt Dume.“ Sie grinste, in der Hoffnung, dass er keinen Verdacht schöpft – Hahli ließ nämlich die Vermutung nicht los, dass er ihre Gedanken lesen konnte.

„Ah ja“, sagte er und schaute wieder in die Arena hinein. „Gut, gut“, sagte er, als die halbe Arena im Jubelrausch war. „Dieser Jaller ist wirklich ein guter Akilini-Sportler“, kommentierte Dume und wandte sich wieder Hahli zu. „Du musst wissen, gestern haben wir erneut einige Verräter festnehmen können, die RaHi-Partei dachte, sie könne einen Aufstand gegen mich aufzetteln.“

Hahli starrte ihm nicht in die Augen, sondern schaute auf den Ta-Matoraner Jaller, der in der Arena gerade von Säule zu Säule sprang.

„Das ist eine echte Schande, wie viele Euch noch nicht vertrauen, Oberhaupt Dume.“ Hahlis Stimme hörte sich gekünstelt an, doch sie konnte einfach nicht schweigen, sie musste dem Turaga zeigen, dass sie auf seiner Seite ist.

„Da gebe ich dir Recht, Hahli. Doch jetzt mit unseren Vahirak-Kriegern wird es kein Problem sein, die restlichen Diebe zu beseitigen...“ Er drehte sich wieder von Hahli weg und beobachtete Jaller beim Akilini.

Das ist die Gelegenheit!, dachte Hahli, nahm die Flasche und schraubte sie auf. Wenn Dume sich das nächste Mal umdrehen wird, wird er in Sekundenschnelle in einen tiefen Schlaf fallen... und Metru Nui wird gerettet sein.

„... Insbesondere diese Vhisola... Sag' mal, Hahli, war sie nicht mal deine Vertraute gewesen?“

Dume drehte sich um. Jetzt! Jetzt musste Hahli ihm nur noch das Gift in die skrupellos dreinschauende Kanohi Kirill werfen. Sie hob ihren Arm und jeden Moment sollte es so weit sein... es wird nur noch Sekunden dauern... bis Dume gefallen ist.

Doch... Das einzige, was Hahli sah, war immer noch sein bösartiger Blick... wie es sich langsam zu einem fiesen Lächeln formte... und sein kaltes Lachen ertönte...

Hahli schaute sich in alle Richtungen um, warum lag Dume noch nicht bewusstlos am Boden? Als sie sich jedoch nach hinten umschaute, wurde ihr schließlich klar, was passiert ist...

Ein Vahirak hielt ihr beide Arme fest und die Flasche war auf dem Boden zersprungen, die Flüssigkeit hatte sich vor ihren Füßen ausgebreitet.

„Welch törichter Versuch mich zu stürzen!“ Sein Lachen war so laut und grausam, wie Hahli es sich in ihren finstersten Träumen nicht ausgemalt hatte. „Du naive Ga-Matoranerin, nach all diesen Aktionen, nach all den verhängten Strafen wagst du es immer noch, meine Macht in Frage zu stellen? Ich sage dir etwas, Hahli: Likhan ist tot. Seine Gesetze gelten nicht mehr und sein Wille, wen interessiert der schon? Er hat es versäumt aus Metru Nui einen der führenden Kriegsstaaten zu machen, all dieses Gerede von Idylle und Paradies... Metru Nui wird sich erheben zu einer Insel, vor der jeder niederknien wird und vor dessen Name jeder Angst haben wird. Und ich werde endlich meine Bestimmung finden, als Herrscher über sämtliche Inseln, nicht nur über unser geliebtes Metru Nui!“

Sein gieriges Lachen war für Hahli wie eine Qual... seine Worte waren reine Folter... Sie dachte nun nicht mehr an den gescheiterten Plan, an das, was ihr bevor steht und ob sie jemals wieder die große rote Sonne sehen wird... Sie wollte an nichts denken, sie war froh, Dume endlich aus ihrem Blickfeld zu haben...

„Schafft sie weg!“, befahl Dume gelangweilt und widmete sich wieder dem Akilini... Und im Hintergrund hörte Hahli das Rauschen... sie wusste nicht von was, oder ob es dazugehörte, wenn die Vahirak sie wegschaffen wollten... Aber im nächsten Moment spürte sie nicht mehr die Protodermis-Klauen Dumes Aufpasser... nein, der Vahirak, der sie gerade noch festgehalten hatte, lag nun wie ein zerstörtes Stück Eisen vor Hahlis Füßen... Und in seinem Rücken steckte eine Kanoka-Disk...

„Hahli, lauf!“

Hahli drehte sich gen Treppe um – und sah Vhisola mit ihrem Diskwerfer, wie sie mit einer Handbewegung Hahli aufforderte, ihr zu folgen. Hahli verschwendete nicht einen Gedanken, sie rannte los, und ignorierte dabei den Stab Dumes, der sie fast auf den Kopf getroffen hätte und hauchdünn ihre Schulter streifte...

„Rebellen auf der Flucht! Auf der Flucht! Fangt sie! Los!“, drang Dumes Stimme den Gang entlang und Hahli hörte, wie plötzlich eine Horde Vahirak hinter ihnen auftauchte und wie vor ihr plötzlich eine Säule explodierte, wie zu ihrer linken und rechten Seite grün schimmernde Rhotuka zersprangen.

Doch weder Hahli, noch Vhisola ließen sich davon irritieren, sie überhörten, wie die Waffen der Vahirak gegen die Kolosseumswände klirrten.

„Hahli, hier entlang!“ Vhisola zeigte Hahli den Weg zum Geheimgang und gab ihr ihren Kanokadiskwerfer. „Wenn wir an der Tür sind, feure eine Disk zwischen die zwei Säulen!“

Hahli nickte nur leicht und nahm den Werfer fest zwischen die Arme. Sie hatte noch nie einen wirklich bedient, aber das war nun das aller Unwichtigste, über was sie nachdenken konnte. Einfach nur feuern, das hatte Vhisola ihr gesagt.

Und im nächsten Augenblick waren sie an der Geheimtür angekommen, Vhisola riss sie mit einem Mal auf und schrie „JETZT!“.

Ohne zu zögern betätigte Hahli einen kleinen Hebel und im nächsten Moment spürte sie nur noch, wie sie weg geschleudert wurde, in Richtung des Geheimgangs... nur flüchtig sah sie, wie die zwei Säulen einstürzten und die Horde dutzend Vahirak unter einer Staubwolke und Gestein verschwanden.

Hahli atmetet tief aus. Sie musste erst in ihrem Kopf reflektieren, was überhaupt geschehen war... Dume... das Gift, der ganze Plan, er hat nicht funktioniert... und dann diese Verfolgungsjagd und jetzt waren Vhisola und Hahli in dem Geheimgang. Hastig blickte die Ga-Matoranerin zu ihrer Freundin hinüber.

„Vhisola, unser Plan...“

Doch sie konnte nur besorgt nicken. „Ich weiß... wir haben versagt... Metru Nui kann nicht mehr gerettet werden.“

„Was hast du jetzt vor?“, fragte sie Hahli und schaute nur in ihre ängstlichen Augen.

„Ich werde einige Matoraner zusammenrufen, die uns noch treu sind. Hahli, geh nach Hause und nimm alles mit, was du brauchst... wir treffen uns am Kolosseumshafen bei Einbruch der Nacht... wir müssen weg hier...“

Hahli starrte Vhisola mit ausgeweiteten Augen an... Sie wollte also flüchten, weg von Metru Nui... Und alle anderen in Stich lassen, dafür zu sorgen, dass Dume Metru Nui weiterhin terrorisiert, obwohl sie es geschafft haben, ihm zu entkommen?

„Aber Vhisola...“

„Hahli!“, unterbrach sie die Matoranerin. „Dume wird jetzt noch verstärkt dafür sorgen, dass seine Feinde aufgespürt werden und beseitigt werden. Verstehst du nicht, ihm steht jetzt nichts mehr im Wege, er hat das Vertrauen des Volks, er hat angriffslustige Krieger... wir sind ganz klar unterlegen, Hahli. Unsere einzige Möglichkeit besteht darin, zu fliehen. Wir werden zum Nördlichen Kontinent fahren, dort gibt es ein kleines Dorf, was uns aufnimmt. Es wird von drei Feuer-Toa angeführt und es sollte uns genug Schutz geben und genug Sicherheit, um weitere mögliche Schritte zu planen.“

Hahli entgegnete dem nichts mehr. Sie nickte nur kurz, als die beiden Ga-Matoraner den langen Geheimtunnel entlang liefen und Hahli einen letzten Blick auf das Kolosseum richtete... Metru Nui, ihre ehemalige Heimat... jetzt sollte sie endgültig weg von hier... dem Schatten entfliehen...

Epilog: Flucht[]

Der Wind wehte leicht und ließ das große Boot im Kolosseumshafen leicht schwanken, als würde es zittern, vor Angst. Angst, die Hahli jedem der sieben versammelten Matoraner ansehen konnte, sie standen da, eng aneinandergereiht, den Blick entweder zu Boden gesenkt oder in Richtung des Protodermis-Meers... denn dort hinter war die Freiheit, hinter dem Horizont würde keiner von ihnen mehr unter Dumes Herrschaft leiden müssen. Wie auch Hahli hatten die sieben Matoraner ihre Taschen um die Hüfte gebunden, es waren zwei Po-Matoraner und je einer aus den restlichen fünf Metrus und auch Piruk, der ehemalige Oberhauptskandidat,, war hier.

„So“, es war die Stimme Vhisolas, die vom großen Boot her kam. Sie hatte gerade eine Planke an den Hafen befestigt und teilte den Matoranern mit, dass sie ins Boot einsteigen sollten.

„Bist du dir sicher, dass das hält Vhisola?“, hatte sie einer der Po-Matoraner gefragt aber Vhisola winkte nur ab.

„Keine Sorge, selbst die wasserscheusten Po-Matoraner fühlen sich in diesem Boot sicher wie ein Gukko-Junge in den Armen seiner Mutter“, hatte Vhisola ihm daraufhin geantwortet und mit größter Vorsicht ging der Matoraner ins Boot. Doch ehe er sich auf dem Gefährt befand, klammerte er sich sofort an der Bootsreling. Vhisola konnte daraufhin nur matt lächeln, während der letzte Matoraner auf das Boot gestiegen ist.

„Was ist, Hahli?“ Vhisola bemerkte, wie Hahli noch einmal auf die Glasfassade des Kolosseums starrte und am Horizont die Berge Po-Metrus, die Spitze des Ta-Metru-Vulkans und die Bäume des Le-Metru-Urwaldes erkannte. Und als sie kurz gen Osten schaute, konnte sie in der Dunkelheit der Nacht noch gerade so die Wasserfälle in Ga-Metru sehen, und gleich daneben waren die Forschungstürme der Ko-Matoraner, und das riesige Archiv Onu-Metrus... ja, das war ihre Heimat, Metru Nui... einst eine Perle, ein funkelnder Diamant in diesem ewig großen Universum... und jetzt... Finsternis hatte sich um die Insel gelegt und Metru Nui seiner Schönheit beraubt... nicht mal mehr die vielen Sterne am Nachthimmel ließen es ergreifend schön wirken... Dume hatte nun die Macht... er hat Metru Nui in den baldigen Untergrund getrieben... Hahli wollte sich nicht ausmachen, ob die vielen Bauten, ob das Kolosseum oder die Natur immer noch so prachtvoll sein werden, wenn sie hier her zurückkehren wird... und sie wusste fest entschlossen... Es war nicht das letzte Mal, dass sie diese Insel zu Gesicht bekommt und sie war sich sicher... Dume wird gestürzt werden, Dume muss besiegt werden, bevor er dasselbe mit den Matoranern tut...

„Hahli!“, schrie Vhisola und Hahli erwachte aus ihren Gedanken.

„Ich komme“, rief sie und schaute nicht mehr hinter sich, blickte nicht mehr auf Metru Nui...

Piruk saß vorne am Steuer und betätigte eine Reihe von Hebeln, bis das Boot endlich los fuhr und sich immer weiter vom Hafen entfernte, den Vakama-Strom entlang schwamm und bald auf dem offenen Protodermis-Meer hinaus war...

„Keine Sorge, Hahli“, tröstete Vhisola sie, als sie ihre Freundin sah, wie sie sich gegen die Schiffshütte gelehnt hatte. Hahli erwiderte ihren aufmunternden Blick nicht, sie schaute sich auf dem Schiffsdeck um, wie die Matoraner noch einmal einen Blick auf Metru Nui warfen oder dann im Inneren verschwanden.

„Es wird nicht mehr lange dauern... Ich weiß, wir werden wieder neue Kraft erlangen und dann wird Dume nur noch verdutzt gucken können.“

Hahli sagte nichts, sie fühlte dasselbe wie ihre Freundin... doch sie war sich bewusst, wie mächtig Dume war... und wie viel er noch vor hatte... er wollte Krieg... Man musste ihn aufhalten, bevor noch Millionen von unschuldigen Städten fallen werden...

„Auf dem Nörtdlichen Kontinent ist es toll, besonders in diesem kleinen Dorf. Da kann man beruhigt Beeren sammeln, die Landschaft, himmlisch, Hahli!“

Die Matoranerin bemerkte Vhisolas schwärmenden Blick und wie sie ganz entzückt war von dem, was sie auf ihrer neuen Heimat erwarten wird...

Es vergingen ein paar wenige Minuten, in denen beide Ga-Matoraner nur auf das offene Meer starrten und nichts sagten, sich nicht unterhielten... selbst wenn Hahli wieder diese Geschichte mit dem Toa-Stern einfiel. Sie ist also doch nicht gekommen, die neue Toa... Noch nicht... Hahli wusste nicht, ob Metru Nui noch mit einer neuen Kämpferin beschenkt wird oder ob nicht doch entweder Vhisola oder doch sie die neue Toa sein werden wird... Doch Hahli versuchte nicht mehr daran zu denken, jetzt zählte nur der Nördliche Kontinent.

Wieder schlenderte die Zeit nur vor sich hin... Als plötzlich...

„Sag mal, Vhisola, kommen diese Geräusche eigentlich von diesem Boot?“ Vhisola schreckte auf und musterte jede Richtung. Ihr schienen diese dröhnenden, klirrenden Geräusche auch seltsam vorzukommen. Doch woher kamen sie, wenn nicht vom Boot?

Hahli ging auf die Reling zu – und ihr Herz sprang ihr bis in die Kehle – am Horizont kamen ein halbes Dutzend Vahirak auf das Boot zugeflogen, und mit jeder Sekunde kamen sie immer näher und mit jedem Augenblick schlug Hahlis Herz schneller.

„VAHIRAK!“, schrie sie und im nächsten Moment kamen alle Matoraner aus dem Boot heraus und lehntens ich gegen die Reling... Und wo gerade noch ein Ta- und Onu-Matoraner stand, war augenblicklich ein Loch im Boot. Und ehe Hahli genau nachvollziehen konnte, was passiert war, sauste ein Rhotuka auf die Schiffshütte zu – und eine Explosion entstand, dass sie Hahli auf die andere Seite des Schiffs schleuderte. Was sollte sie jetzt tun, wo war Vhisola? Die Gedanken bersteten ihr durch den Kopf, als einer der Vahirak auf dem Boot landete und seine Klinge gegen den Boden rammte... und irgendwie kam es Hahli so vor, als würde sie von dem Protodermis-Meer angezogen werden... sie rutschte das Boot hinunter... es sank also...

Mit aller Kraft griff sie nach der Schiffsreling, um sich festzuhalten, gerade jedoch konnte sie erkennen, wie die beiden Po-Matoraner im silbrig glänzenden Meer verschwanden...

„VHISOLA!“, schrie Hahli, doch anstatt der vertrauten Kanohi Komau sah sie vor sich das schuppige Visorak-Gesicht von Dumes Aufpasser. Der Vahirak zischte und fauchte, aber im nächsten Moment drehte er sich überraschend um – Piruk hatte versucht ihn mit einem Hebel zu überwältigen – vergeblich. Im nächsten Augenblick griff das Wesen nach dem Le-Matoraner und schleuderte ihn meterweit weg, wo das dunkle Protodermis-Meer ihn verschlang...

Hahli hatte das Gefühl, ihr Herz müsste ihr schon längst aus dem Körper gefallen sein, so laut wie es pochte... Ihr ganzer Körper, sie spürte die Angst in ihm... von Kopf bis Fuß fühlte sie die Anspannung, ihr war unglaublich warm und sie zitterte so sehr, dass sie fürchtete die Schiffsreling loszulassen und in die Fänge der Vahirak zu gelangen. Sie musste doch irgendetwas unternehmen... doch was? Je mehr sie das Boot sah, wie es in das Meer abtauchte und die Visorak-Krieger, wie sie nach und nach das Boot auseinander nahmen, schwand in Hahli jegliche Hoffnung... gleich würde sie sterben, sie würde ertrinken in dem Meer aus Protodermis, bald hätte es sich erledigt... sie hatte gekämpft, monatelang... gegen Dume, gegen seine Herrschaft, für die Freiheit und für Likhan... und gleich würde sie sich zu ihm gesellen, zu Likhan, sie würde seine neue Heimat kennen lernen, ja... jetzt, wo sie tot war...

Hahli bemerkte nicht mehr viel, nur, dass ein großes Feuer plötzlich ausgebrochen war und wie sie in die eiskalte Protodermis hinab sank und vor ihren Augen alles schwarz und dunkel wurde...


Gresh18s: "Tales of Time"
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